„Sorgt Euch nicht“ – Gottesdienst zum Schuljahresbeginn in der Kartäuserkirche

Ganz so einfach, heiter und unbeschwert, wie es das Bild auf der Einladungskarte zeigte, ist es mit den Worten „Sorgt Euch nicht“ aus Matthäus, 6. Kapitel, dann doch nicht. Zu sehen war eine Frau, die versonnen einem Schmetterling nachschaut, ohne zu sehen, dass sich vor ihr ein Loch auftut, weil der Kanaldeckel beiseite geräumt wurde. Doch die besagte Frau hat Glück. Statt ins Leere zu treten, setzt sie ihren Fuß auf den Helm des Kanalarbeiters, der aus dem Loch ragt. Mit diesem Bild warb das Evangelische Schulreferat zum Gottesdienst zum Schuljahresbeginn in der Kartäuserkirche.

Thema des Gottesdienstes zum Schuljahresbeginn: Sorgen

Der stellvertretende Stadtsuperintendent Markus Zimmermann begrüßte zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer in der Kölner Südstadt. Südstadtkantor Thomas Frerichs begleitete den Gottesdienst an der Orgel. Mit den Worten „Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen oder trinken sollt, noch um euren Leib, was ihr anziehen sollt! Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie doch“ beginnt das sechste Kapitel des Matthäus-Evangeliums.

In einer Dialogpredigt legten Carmen Schmitt vom Schulreferat und Jost Klausmeier-Saß vom Pfarramt für Berufskollegs den Text aus. „Viele von uns sind verbeamtet oder ziemlich fest angestellt. Hier handelt es sich um einen Text über Habenichtse. Da stellt sich die Frage: Können das meine Sorgen sein?“, leitete Carmen Schmitt ein. „Schätzen wir die Grundbedürfnisse nicht zu gering ein“, setzte Klausmeier-Saß fort und fragte: „Wieviele Menschen, die an Tafeln Lebensmittel erhalten, wissen nicht, ob es morgen noch reicht? Wieviele Rentnerinnen und Rentner sammeln Pfandflaschen? Wie groß sind die Abstiegsängste in der Mittelschicht?“ Mit „SOS“ beschrieb er die Gründe für die Erfolge der AfD. „Die Menschen wollen Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit.“ Und: „Unsere Sorgen sind die Grundlagen für die Gewinne der Versicherungsunternehmen.“

Psychische Sorgen

Materielle Sorgen seien das eine, sagte Carmen Schmitt. Viele Lehrkräfte hätten gerade zu Schulbeginn andere Bedenken. „Nach sechs Wochen Ferien: Kann ich überhaupt noch unterrichten? Kann ich die 8b unter Kontrolle bekommen? Muss ich schon wieder mit dieser nervigen Kollegin zusammenarbeiten? Ist die Schulleitung krank und wird wieder Mehrarbeit verteilt? Bleibt mir genug Zeit für meine Kinder? Bin ich auf dem Weg zum Burnout?“ Sorgen würden das Leben nicht verlängern. Sich nicht zu sorgen, sei unrealistisch. Wäre es naiv zu sagen, Gott werde es schon richten?

Klausmeier-Saß wies auf die Nöte mancher Lehrkräfte hin. Ein ganzes Schuljahr könne schon am Tag vor Schulbeginn „drücken“. Eine Lehrerin habe ihm gesagt, dass sie in der Nacht davor nicht schlafen könne. „Da werden die Schlachten von 40 Unterrichtswochen in einer Nacht geschlagen.“ Jesus Christus gehe es nicht um Naivität und eine oberflächliche Sorglosigkeit. „Wir müssen alles tun, um zu verhindern, dass Sorgen uns blockieren, paralysieren und handlungsunfähig machen.“ Jeder müsse für sich selbst Prioritäten setzen. Es gelte, zuerst nach dem Reich Gottes zu trachten und das Augenmerk nicht zuerst auf die Sorgen zu richten. Das Reich Gottes sei da, wo Gottes Liebe spürbar sei. Mitten im Leben entstünden dort Hoffnung und Glücksgefühle. Klausmeier-Saß plädierte für einen Perspektivwechsel von der Sorge auf die Fürsorge. Damit dieser Wechsel gelinge, müssen man den Blick auf die eigene innere Haltung richten.

Fürsorge und Gottvertrauen

Carmen Schmitt erinnerte an Lernprozesse, die sie in ihrem Garten erleben musste. Samen in Furchen zu werfen, reiche bei weitem nicht. „Blumen brauchen meine Fürsorge. Sie müssen gegossen und gedüngt werden. Aber was steckt in der Gießkanne für mich?“ Vielleicht eine gute Unterhaltung mit einer Freundin, ein gutes Wort im Gottesdienst, ein paar Bahnen im Schwimmbad, Yoga, Stille … Der Perspektivwechsel erlaube es, gelassener durchzuatmen. Aber was sei mit der Frage nach der Naivität des Gottvertrauens? Könne einem in einer Leistungsgesellschaft alles einfach so zufallen?

„Gottvertrauen hält es für möglich, dass ich nicht allmächtig über mein Leben verfüge, dass ich nicht alles unter Kontrolle habe“, antwortete Klausmeier-Saß und räumte sofort ein: „Das klappt nicht immer.“ Wenn es gelänge, könnten die Menschen der Welt mit einer anderen inneren Haltung begegnen. Sie ließen sich nicht mehr von der Konsumgesellschaft einfangen und von Fremdansprüchen beherrschen.

„Was morgen kommt mag, ist morgen”

Er verwies darüber hinaus auf das „wunderbare Gefühl“, das Tagwerk verrichtet zu haben, den „Rechner herunter zu fahren“ und plädierte für eine deutliche Grenze zwischen Arbeit und Nichtarbeit. „Was morgen kommen mag, ist morgen“, interpretierte er den Satz aus dem Matthäus-Evangelium „Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat“.

Carmen Schmitt erinnerte daran, dass die ausgelegte Bibelstelle aus der Bergpredigt die Menschen immer in Gemeinschaft sehe. Die Menschen seien aufeinander angewiesen. „Deshalb feiern wir Abendmahl zusammen. Als Zeichen für eine andere Prioritätensetzung in unserem Leben.“