„Den Abschied vom Leben verstehen“: Hospiztag im DOMFORUM Köln.

Psychologe und Psychotherapeut Prof. Dr. Ralf T. Vogel

Den Abschied vom Leben verstehen – eine tiefenpsychologische Perspektive“ war der 26. Hospiztag im Domforum Köln überschrieben. Unter diesem Titel schaute im zentralen 45-minütigen Vortrag der Psychologe und Psychotherapeut Prof. Dr. Ralf T. Vogel kenntnisreich, inspirierend und zugewandt auf den Umgang mit Sterben und Tod. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung von der Hospiz- und Palliativ-Arbeitsgemeinschaft Köln e. V. (HAK), dem Palliativ- und Hospiz-Netzwerk Köln e. V. und dem Katholischen Bildungswerk Köln mit Unterstützung des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Eine große Zahl von Interessierten verfolgte Vogels aufschlussreiche Ausführungen und beteiligte sich an der Diskussion. Ebenso rege wurde die Möglichkeit genutzt, sich über Hospiz- und Palliativangebote in Köln zu informieren.

„Ein offener Mensch mit einer großen Freundlichkeit“

„Wir haben in diesem Jahr einen besonderen Hospiztag“, begrüßte Isolde Roth viele Besuchende auch aus dem Kölner Umland. Die pädagogische Mitarbeiterin des Katholischen Bildungswerks Köln wirkte sichtlich berührt, als sie über den tragischen Unfalltod von Rainer Tüschenbönner eine Woche zuvor sprach. Als Leiter des Domforums Köln und des Katholischen Bildungswerks habe er dieses Haus in seiner Konzeption und auch in dem, was hier an Geist sei, maßgeblich geprägt: „Ein offener Mensch mit einer großen Freundlichkeit.“
Als eines seiner Herzensprojekte bezeichnete Roth die Lichtinstallation „Himmelsleiter“ der Künstlerin Billi Thanner im und am Domforum. „Hier berühren sich Himmel und Erde“, laute das Motto des Werkes. Dieses Motto trage auch die Menschen in ihrer Arbeit im Hospizdienst.

„Der Sterbende hat die Aufgabe, loszulassen – und zuzulassen.“

Ebenso würdigten die Sprecher der drei Grußworte den verstorbenen Rainer Tüschenbönner. Referent Thomas Gruner übermittelte herzliche Grüße des katholischen Stadtdechanten Msgr. Robert Kleine. Der Abschied vom Leben betreffe uns alle und werde doch oft aus unserem Alltag ausgeklammert. Vogel werde uns dabei helfen, Abschied nicht nur als Verlust, sondern auch als seelischen Prozess zu begreifen, so Gruner.  Stadtsuperintendent Bernhard Seiger nannte es einen Schatz, dass der HAK e. V. mit anderen diesen Tag ausrichte. In Vogels Vortrag gehe es um das Loslassen, so Seiger. „Und zwar von beiden Seiten. Der Sterbende hat die Aufgabe, loszulassen und zuzulassen. Die Weggefährten und die Familie haben die Aufgabe, einen Menschen, der zu ihnen gehört, loszulassen.“ Das sei ein komplizierter Vorgang: „Bei Trennungen, bei Veränderungen im Beruf und auch am Lebensende. Wir stehen dann vor der Frage: Was können wir machen, und wo können wir uns nur noch verhalten?“

Stadtsuperintendent Bernhard Seiger

Es gehe um das spannungsreiche Leben zwischen „machen und gestalten“ auf der einen Seite und „an sich geschehen lassen, empfangend leben“ auf der anderen Seite. In dieser Dialektik und Spannung stecke im Übrigen viel Weisheit des biblischen Glaubens, stellte Seiger fest. „Also vom Machen und Lieben und Geschehenlassen.“ Wie das gehe, könne mit dem Loslassen verdeutlicht werden – beispielhaft mit dem Poem „to let go“ des US-amerikanischen Lyrikers Robert Paul Gilles. Darin formuliert Gilles unter anderem: „Loslassen bedeutet nicht, sich nicht mehr um andere zu kümmern, sondern zu erkennen, dass ich es nicht mehr für andere tun kann.“ Und: „Loslassen bedeutet nicht, zu urteilen, sondern anderen erlauben, Mensch zu sein.“ Vielleicht, so Seiger, „trifft das eine oder andere davon auch zu auf uns, die wir Sterbende begleiten, auf uns, die wir auch um die eigene Endlichkeit wissen.“

„Ihr Wirken ist leise, aber unverzichtbar.“

„Trauer ist kein Zustand, sondern ein Weg“, wies Bürgermeister Dr. Ralf Heinen auf das Tagesthema hin. Sie zeige, „dass Liebe und Verbundenheit über den Tod hinaus wirken können“. Er dankte den Initiatoren und Unterstützenden für das gemeinschaftliche Ermöglichen dieser Veranstaltung. Insbesondere würdigte Heinen die zahlreichen haupt- und ehrenamtlich Engagierten, die schwerkranke und sterbende Menschen begleiteten. Sie stützten deren Angehörige und schenkten Trost, „wo Worte manchmal nicht mehr reichen“. Ihr Wirken sei leise, aber unverzichtbar. Heinen zufolge tragen sie dazu bei, dass Köln menschlich bleibe. „Für uns als Stadt ist klar: Hospiz- und Palliativarbeit sind Ausdruck gelebter Solidarität und Verantwortung füreinander. Sie sind Teil dessen, was eine Stadtgesellschaft stark macht.“

Im Umgang mit Sterben und Tod ist für Vogel von großer Bedeutung, wie wir auf unser Leben blicken. „Der Mensch ist das Produkt seiner Lebensgeschichte. Wir sind eigentlich Gewordene“, stellte der Psychotherapeut fest. Aber um uns zu verstehen, müssten wir auch schauen: „Wo zieht es uns denn hin?“ Vogel ging ein unter anderem auf unsere insgesamt „abschiedliche Existenz“, wie es der Philosoph Wilhelm Weischedel formuliert hat. „Der letzte Abschied bringt uns in Kontakt mit den ´zeitlosen Schichten´ des Unbewussten“, sagte der Referent. „Zwei bis drei Sachen in uns bleiben. Sie ändern sich nie. Sie sind zeitlos“, empfindet er darin etwas Tröstliches.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich

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