Gedenkgang zu den Luftangriffen vom 29. Juni 1943: Nehmen Sie an „Erinnerungsspuren“ teil

Ein ökumenischer Weg gegen das Vergessen in Köln-BickendorfEin ökumenischer Weg gegen das Vergessen in Köln-BickendorfEin ökumenischer Weg gegen das Vergessen in Köln-Bickendorf: Am Samstag, 5. Juli, 15.30 bis 17.30 Uhr findet ein ökumenischer Gedenkgang durch Köln-Bickendorf und über den Westfriedhof statt. Anlass ist der schwerste Luftangriff auf Köln während des Zweiten Weltkriegs, der sogenannte Peter-und-Paul-Angriff am 29. Juni 1943.

Tausende Menschen verloren damals ihr Leben, die Innenstadt wurde nahezu vollständig zerstört. Unter dem Titel „Erinnerungsspuren“ führen Historiker Günter Leitner und Pfarrer i. R. Armin Beuscher die Teilnehmenden zu Orten des Gedenkens – begleitet von liturgischen Impulsen von Elisabeth Grumfeld und Armin Beuscher. Ziel ist neben der Erinnerung die Auseinandersetzung mit den Folgen von Gewalt und Ausgrenzung – damals wie heute.

Verschieden Stationen gegen das Vergessen

Die Route beginnt an der KVB-Haltestelle Westfriedhof/Venloer Straße 1132. Stationen sind unter anderem Gräber der Bombenopfer, das Mahnmal für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, der Erinnerungsort an Jerzy Gross – ein durch Schindlers Liste Geretteter – sowie das ehemalige Lager für Sinti und Roma in Bickendorf. Der Abschluss findet in der Pfarrkirche St. Dreikönigen, Platanenweg 8, statt.

Ein ökumenischer Weg gegen das Vergessen in Köln-BickendorfDie Teilnahme ist kostenlos. Die Gedenkveranstaltung ist eine Kooperation des Katholikenausschusses der Stadt Köln und des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region.

Herr Beuscher, Sie begleiten den Gedenkgang nicht nur historisch, sondern auch liturgisch. Was bedeutet Ihnen persönlich das Erinnern an den 29. Juni 1943?

Armin Beuscher: Die Folgen des 2.Weltkrieges für die Zivilbevölkerung vor allem in den Städten hat mich familiär von Kindheit an begleitet. Die erste Familie unseres Vaters ist in einer Kleinstadt bei einem Angriff der Alliierten in einen Bunker geflohen und dort durch eine Druckwelle umgekommen. Es waren seine 1.Frau, sein knapp 2 Jahre altes Kind, die Schwägerin, ihr Baby, die Schwiegermutter. Damit gab es die Schwiegerfamilie nicht mehr. 8 Jahre später hat mein Vater noch einmal geheiratet. Wir sind als Familie  regelmäßig zum sog. „Soldatenfriedhof“ gefahren, auf dem fast ausschließlich Zivilisten lagen. Als sich das Gedenken an den schweren Angriff auf Köln mit den meisten Zivilopfern in der Nacht von Peter und Paul 1943 zum 70.Mal gejährt hat, suchte ich Verbündete für ein gemeinsames Innenhalten und Erinnern. Meine Idee wurde vom Katholikenausschuss in Köln damals unter dem Vorsitz  von Frau Hannelore Bartscherer positiv aufgegriffen und wir konnten den sachkundigste Kölnführer Günter Leitner für unser ökumenisches Projekt gewinnen. Von Anfang an haben wir neben den Zivilopfern der Kölner Bevölkerung auch die im Blick gehabt, die unter dem Terrorsystem des Nationalsozialismus gelitten haben: Kommunisten, Sozialdemokraten, Jüdische Mitbürger und Mitbürgerinnen und andere aus rassischen oder ideologischen Gründen verfolgte Menschen. In jedem Jahr haben wir seitdem in einem anderen Stadtteil mit unterschiedlichen Schwerpunkten einen Weg entwickelt.

Was bedeutet der ökumenische Gedanken?

Armin Beuscher: Es ist ein Ökumenischer Gedenkgang, der nur ein wenig das Ausmaß des Leids und der Gewalterfahrungen andeutet. Deshalb war es uns von Anfang an wichtig all das Gesagte, Ungesagte, Bedrückende in den größeren Rahmen einer Liturgie zu stellen. Denn Liturgien können Klagen, Stille, Bittrufe, Hoffnungsworte und auch Dankgebete der Überlebenden beinhalten.

In Köln-Bickendorf machen Sie mit den Teilnehmenden Halt an Orten wie den Gräbern der Bombenopfer und dem ehemaligen Lager für Sinti und Roma. Wie gelingt es aus Ihrer Sicht, eine Brücke zu schlagen zwischen den historischen Ereignissen und unserer Verantwortung für das heutige Zusammenleben?

Armin Beuscher: Erinnerungen haben den Sinn, uns für unsere Gegenwart zu sensibilisieren. Es ging in dieser Woche durch die Medien, dass die Diskriminierung von Sinti und Roma deutlich zugenommen hat. So wie der Antisemitismus und die Ausgrenzung von Menschen, die anders sind, immer mehr zunehmen. Mit dem Ende des NS-Regimes haben die nicht nur von ihm propagierten Denkmuster und Vorurteile nicht aufgehört. Sie sind leider überall zu finden und dürfen nicht wieder zur Normalität werden. Es gilt auf unsere Sprache zu achten, auf unsere Verhaltensmuster zu schauen und unser Herz und unseren Verstand immer wieder zur Liebe und Toleranz hin zu öffnen.

Die Veranstaltung trägt den Titel „Erinnerungsspuren“. Was wünschen Sie sich, dass bei den Teilnehmenden haften bleibt – gerade mit Blick auf Ausgrenzung, Antisemitismus und Rassismus?

Armin Beuscher: Geschichte ist lebendiges Erinnern. Es geht um Menschen, um einzelne Schicksale. Erinnern bedeutet auch wertschätzen. Und dies gilt es, in unseren Alltag zu übertragen. Erinnern weitet unseren Horizont und kann uns helfen, unsere Füße „auf Wege des Friedens und der Gerechtigkeit“ zu lenken. Es möge uns gelingen, uns immer neu auf die Seite des Lebens zu stellen, wo Gott uns zur Seite steht.

Text: APK
Foto(s): Armin Beuscher

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