Gemeinsames Gedenken in Köln: Über 200 Menschen setzen Zeichen gegen Antisemitismus

„Wir gedenken der Opfer von Holocaust und Judenhass. Wir stehen an der Seite unserer jüdischen Nachbar*innen!“ So war es auf dem Banner und entsprechenden Transparenten zu lesen, mit denen über 200 Teilnehmende auf einem ökumenischen Schweigegang zum Jahrestag der Novemberpogrome 1938 ein deutliches Zeichen der Solidarität setzten. Sie waren der Einladung des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, des Katholischen Stadtdekanats Köln und des Katholikenausschusses in der Stadt Köln gefolgt. Der Gang führte vom Neubau des Jüdischen Museums vorbei am Neumarkt und Rudolfplatz zur Synagoge in der Roonstraße.
Der evangelische Stadtsuperintendent Bernhard Seiger freute sich über die breite Unterstützung des stillen Gedenkens durch viele weitere Organisationen und dankte den zahlreichen Menschen für ihr Eintreten gegen Antisemitismus. „Wir sind hier in international bewegten politischen Tagen und mit der Hoffnung auf Frieden im Nahen Osten, der leider immer noch sehr fragil ist.“ Umso wichtiger sei es, mit klarem Verstand und wachem Herzen einen guten Kompass für das Leben zu haben, betonte Seiger: „Gerade in dieser Woche.“ Er erinnerte daran, dass vor 87 Jahren auch in Köln die Synagogen brannten. „Jüdisches Leben wurde beschämt und verächtlich gemacht. Und das war erst der Anfang größtmöglicher Menschenverachtung.“
Seiger: „Wir stehen fest an der Seite unserer jüdischen Geschwister und Nachbarn.“
In Köln und hierzulande nähmen unsere Nachbarn jüdischer Herkunft den international wie bundesweit wachsenden Antisemitismus wahr. Unseren Kirchen sei uns heute wichtig, deutlich und ökumenisch zu sagen: „Wir stehen fest an der Seite unserer jüdischen Geschwister und Nachbarn. Wir teilen ihre Sorge und zeigen unsere Verbundenheit mit ihnen.“ Seiger überbrachte den herzlichen Gruß der demokratischen Kölner Ratsfraktionen, deren Mitglieder an der zeitgleich laufenden konstituierenden Sitzung des Stadtrates teilnahmen. „Es macht Mut, dass wir gemeinsam hier sind und gemeinsam gedenken. Es ist manchmal viel mehr, wenn wir Stille aushalten, als Parolen und selbstsichere Reden zu halten“, formulierte Seiger. „Wir können spüren, was ist, und halten die Stille und den Schmerz aus.“
Kleine: „Solidarisch mit dem Herzen zur Roonstraße gehen.“
Man habe nach dem Schrecken des Holocausts und des Naziregimes immer von einem scheinbar latenten Antisemitismus bei wenigen gewusst, stellte Stadtdechant Msgr. Robert Kleine fest. Mit Entsetzen habe er nach dem barbarischen Massaker der Hamas 2023 an Menschen in Israel bemerkt, dass sich im Laufe der Wochen sich so etwas wie eine Büchse der Pandora geöffnet habe. Gemerkt, „dass es plötzlich wieder sprachfähig wurde, Israels Existenzrecht abzusprechen, aber auch Menschen jüdischen Glaubens anzugehen mit Hasstiraden und sogar handgreiflich. Dafür müssen wir auf die Straße gehen.“ Wir müssten unsere Demokratie schützen und das elementare Grundrecht Religionsfreiheit verteidigen: „Wegen unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger.“ Man wolle solidarisch mit dem Herzen zur Roonstraße gehen. „Wir sind vielleicht im Moment schweigend. Aber ich hoffe doch, dass wir in unserer Stadt die Mehrheit sind, die sagt: ´Nie mehr wieder ist jetzt!´“
Erinnerung an die Städtische Israelitische Volksschule
Auf dem Hof des städtischen Berufskollegs Lindenstraße skizzierte Alexander Recht die Historie der Einrichtung und seiner direkten Nachbarschaft als ganz besonderen Ort jüdischer Geschichte in Köln. Der dem erweiterten Schulleitungs-Team angehörende Lehrer verwies auf ein Gebäude im Rücken der Teilnehmenden, in dem sich von 1917 bis 1938 die Städtische Israelitische Volksschule in der Lützowstraße 8-10 befand. „In den 1920er Jahren war sie die größte öffentliche jüdische Volksschule Deutschlands.“ Die Verschärfung der antijüdischen Maßnahmen des NS-Regimes habe 1938 zur Schließung der Einrichtung geführt. Später seien zahlreiche der Schüler und Lehrer mit ihren Familien in den Osten verschleppt worden. „Nur wenige überlebten.“ Anfang der 1950er Jahre sei dort eine städtische Handelsschule eingezogen. Aus dieser sei das Berufskolleg hervorgegangen. Wir hätten es dem Engagement des Ehepaares Irene und Dieter Corbach zu verdanken, dass seit den 1980er Jahren die lange verdrängte jüdische Geschichte dieses Ortes „wieder in den Blick der Öffentlichkeit gerückt worden ist“, so Recht.
Gebet und Dank vor der Synagoge in der Roonstraße
An der Synagoge in der Roonstraße begrüßten Mitglieder der Synagogen-Gemeinde Köln die Teilnehmenden. Vor zahlreich platzierten Blumen und brennenden Kerzen trug Kantor Mordechaj Tauber das Gebet El Male Rachamim (Gott voller Erbarmen) in der erweiterten Version im Gedenken an die Opfer der Schoa vor. „Wir spüren den Schmerz“, dankte Seiger stellvertretend den Vorstandsmitgliedern Bettina Levy und Dr. Felix Schotland, „dass sie uns willkommen heißen und wir hier zusammen stehen dürfen“. Er würdigte ebenso die Frauen und Männer, „die mitgegangen sind, ohne große Worte, sondern im Spüren dessen, was heute zu spüren ist“.
Levy bedankte sich herzlich im Namen der jüdischen Gemeindeglieder und derer, die es nicht können, für das Engagement der Teilnehmenden. Dieses sei nicht selbstverständlich. „Es hat einen ganz großen Widerhall bei uns. Diese Lichter bringen ein bisschen Licht und sie zeigen, dass sie zu uns stehen und sie den Toten und den Menschen, die heute nicht hier sind, weil sie ermordet wurden, ihre Ehre erweisen. Das kommt an bei den Lebenden.“
Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich/Susanna Ohlen
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