25 Jahre ökumenische Begegnungsstätte „Lichtblick – Café + mehr“ in Köln-Stammheim
Weltliche Feier und Gottesdienst zum Jubiläum wurden online veranstaltet
„Nicht mehr wegzudenken“ – diese schöne Formulierung trifft auf vieles zu. Unbedingt auch auf das „Lichtblick – Café + mehr“. Das ökumenisch geleitete Projekt zeichnet sich dadurch aus, dass jede und jeder, dass alle Altersgruppen und sozialen Schichten willkommen sind – um zu reden, um zu essen und zu trinken, um sozial wie kulturell teilzuhaben. In diesem Monat besteht die Einrichtung 25 Jahre. Im März 1996 in einem ehemaligen Ladenlokal Ecke Gisbertstraße/Scharffensteinstraße in Köln-Stammheim eröffnet, hat sich der Begegnungsraum rasch als Marke etablieren können. Als unverzichtbare missionarisch-diakonische Institution im Stadtteil. „Hier können Gäste und Kunden Kirche erleben, die zu den Menschen geht und sie in ihrem ganz normalen Lebensumfeld begleitet“, sagt Antje Gensichen. Sie ist seit November 2003 hauptamtliche Geschäftsführerin des „Lichtblick“.
Ökumenisches Fundament
Rechtsträgerin der Einrichtung ist die Evangelische Brückenschlag-Gemeinde Köln-Flittard/Stammheim. Gleichwohl wird sie von einem „ökumenischen Fundament“ getragen. So führt die Kooperation mit der katholischen Nachbargemeinde St. Hubertus/St. Mariä Geburt zu einer gelebten Ökumene vor Ort. Diese spiegelt sich auch im Leitungskreis und im Vorstand des Fördervereins wider. Beide sind paritätisch evangelisch-katholisch besetzt.
Gastfreundschaft und konkrete Hilfe
Seit einem Vierteljahrhundert erfahren Menschen im „Lichtblick“ Gastfreundschaft und konkrete Hilfe. Dort finden sie offene Herzen und Ohren. Dort erhalten sie Beratung in sozialen Fragen von Rente bis Pflege. „Auch seelsorgerliche Gespräche ergeben sich, wenn Rat, Trost oder Zuspruch gewünscht sind“, ergänzt Gensichen. Die vielfältigen Angebote reichen von einem Café über eine Kleiderkammer bis hin zu einem Buchladen, dem einzigen weit und breit. Regelmäßig finden Literaturlesungen, Spielenachmittage, Vorträge und Konzerte statt. In einer Phase mit schwach frequentierten Nachmittagen sei es darum gegangen, diese auch mit anderem Publikum zu beleben, so Gensichen. Daraus seien etwa Spanischkurse und die Handarbeitsgruppe „Bestrickend anders“ erwachsen. Neu im Programm ist das Kinderkino.
Das „Mobile Café“
Bereits vor zehn Jahren wurde das Angebot um das „Mobile Café“ erweitert. Innerhalb des früh preisgekrönten Projekts geht Gemeinde als solche erkennbar dorthin, „wo die Menschen des Veedels sich aufhalten“. Von April bis Oktober machen sich mit Klappstühlen, Sonnenschirm und Getränken ausgestattete Ehrenamtliche zu nahen öffentlichen Orten auf. Dort laden sie Passanten zu einem kostenlosen Kaffee oder Wasser, heißt gleichzeitig, zu einem Gespräch „über Gott und die Welt“ ein. In den letzten beiden Jahren postierte man sich nahe einer Flüchtlingsunterkunft. „Unsere Idee hat sich absolut bewährt“, freut sich Gensichen auf die Wiederaufnahme nach dem Lockdown.
Besucher*innen aus allen Altersstufen sowie „kleine“ Preise
Gerade ältere Menschen schätzten die gute Atmosphäre im „Lichtblick“, weiß Gensichen. Ebenso belebten junge Familien den beliebten Treffpunkt und auch Jugendliche nutzten ihn als Ort der Entspannung und des Gesprächs. Im Café werden Speisen und Getränke zu „kleinen“ Preisen“ angeboten. Gut erhaltene Kleidung und Bücher aus zweiter Hand können gegen eine geringe Spende erworben werden. Dies sei der Erfahrung geschuldet, dass Kostenloses weniger wertgeschätzt, aber Schnäppchen als „cool“ empfunden würden, erklärt Gensichen. Wer knapp bei Kasse sei, könne mit einem Gutschein „vom Baum“ trotzdem ein Getränk, Frühstück oder Kuchen genießen. Den Gegenwert dieser Gutscheine haben Gäste im Voraus mitbezahlt, um ihnen unbekannte Mitmenschen etwas Gutes zu tun.
Ohne Ehrenamtliche läuft nichts
Möglich machen all das im „Lichtblick“ insbesondere die derzeit rund 75 mehrheitlich weiblichen Ehrenamtlichen im Alter von 16 bis Anfang 80 Jahren. „Vorwiegend fünfzig bis 75 Jahre alt, kümmern sie sich in Teams um den Service im Café und Laden, um die Annahme und Abgabe von Spenden in der Kleiderkammer, um die Gestaltung des Schaufensters und die jahreszeitliche Dekoration der Räumlichkeiten, um Einkauf, Wäsche, Computertechnik, Programm – um alles“, zählt Gensichen auf. „Richtig beeindruckend“ findet sie die absolute Vielfalt im Kreis der Mitarbeitenden und „wie hochverbindlich sich Menschen hier einbringen“. Während Corona habe niemand von ihnen geäußert, aufhören zu wollen. Neue Interessierte an einer Mitarbeit seien herzlich willkommen.
Buchladen mit erweitertem Angebot
Im Buchladen ist jeder Titel bestellbar. Er verfügt über eine Präsenzabteilung mit Schwerpunkt Senioren. Zudem führt er Second-Hand-Bücher, Grußkarten, kleine Geschenkartikel, Honig, Kaffee, Tee und Schokolade aus fairem Handel. „Der Laden ermöglicht uns, eine größere Bandbreite von Menschen zu erreichen“, sagt Gensichen. Nicht nur, dass der Hauptumsatz des „Lichtblick“ durch den Buchladen erzielt werde. Er bilde mit seinem erweiterten Angebot eine tolle Ergänzung zum Café. „Ich versuche das Sortiment auf unseren Kunden abzustimmen“, informiert die für den Buchladen zuständige Christiane Friedrich. Die Presbyteriumsvorsitzende engagiert sich seit 1999 im und für das „Lichtblick“. Es sei toll, auf so viele Mitarbeiter*innen zählen zu können, unterstreicht sie. „Aber genauso brauchen wir Gäste und Kunden. Ohne sie hätten wir auch die Corona-Zeit nicht überstanden.“
Treue Kunden und Unterstützende im Lockdown
Im Lockdown ist auch das „Lichtblick“ geschlossen. Gleichwohl sei es in Corona-Zeiten ein wichtiger Ort gegen Einsamkeit geblieben, ist Gensichen klargeworden. Die Kisten mit den Second-Hand-Büchern vor der Pforte hätten sich zu einem Anlaufpunkt entwickelt. Zudem werde der durchgängige Bestell- und Lieferservice für Bücher gut angenommen. Dass trotz der starken Einschränkungen der Gesamtumsatz der Einrichtung nicht so gravierend wie befürchtet zurückgegangen sei, habe auch damit zu tun, dass die Grundschule 2020 aus ihren Eigenmitteln erstmals alle Schulbücher im „Lichtblick“ geordert habe. Zudem seien die Spenden an den Förderverein nicht eingebrochen, dankt auch Friedrich den vielen treuen Unterstützerinnen und Unterstützer. Seit dem 9. März steht der Buchladen wieder offen, mit eingeschränkten Zeiten unter den gewohnten Corona-Vorsichtsmaßnahmen. Weiterhin geschlossen bleibt das Café.
Digital: Feier und Gottesdienst zum Jubiläum
Gefeiert wurde das 25-jährige Bestehen Corona-konform. So trafen sich zunächst etliche Menschen auf Zoom zur digitalen Geburtstagsfeier. Sie war gespickt mit Gesprächen, Erinnerungen und einem Quiz. „Nur online“ hieß es auch zwei Tage später in der Immanuel-Kirche. Per Livestream auf youtube begrüßte Pfarrerin Anja Fresia zu einem besonderen Sonntagsgottesdienst: „Wir feiern heute Morgen, dass unser Café ´Lichtblick – Café + mehr´ seit 25 Jahren im Veedel unsagbaren guten Dienst tut.“ Sie äußerte Dankbarkeit der Gemeinde gegenüber Gott, der „mit dem, was im Café Lichtblick passiert“, sich spürbar, erfahrbar mache und von Mensch zu Mensch weitergebe. Sie dankte Gott, dass er das „Lichtblick“ im Stadtteil verwurzelt habe. Dass er immer wieder Menschen als seine Mitarbeitende in die Gemeinde und das Café schicke, die sich einbrächten und als Gäste wie Gastgeber fröhliche und traurige Ereignisse miteinander teilten.
Predigt zum Thema Gastfreundschaft
Fresia freute sich, dass man Gerold Vorländer, den früheren Pfarrer der Gemeinde, für die Predigt nach Stammheim „locken“ konnte. „Das war eine spannende Zeit damals, vieles haben wir ausprobiert und neues gewagt“, blickte er kurz auf die Anfänge des „Licktblick“. Dann sprach Vorländer, seit Mai 2014 Leitender Missionarischer Mitarbeiter der Berliner Stadtmission, gut zwanzig Minuten unverblümt und begeisternd über die Herausforderungen von radikaler Gastfreundschaft. „Ich bin davon überzeugt: Für die Zukunft der Kirche hängt alles davon ab, ob wir die Botschaft Jesu radikal genug ernst nehmen.“
„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen“
Die radikale Offenheit Jesu müssten wir ebenso beim Thema Gastfreundschaft ernst nehmen. Jesu Aussage im Johannes-Evangelium 6,37 – „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen“ – passe heute auch wunderbar zum „Lichtblick“-Jubiläum. „Das ist Gastfreundschaft, Annahme ohne Wenn und Aber. Egal wo jemand herkommt, wie jemand geprägt ist, wie er drauf ist, was für eine Biographie dahinterliegt, wie moralisch oder unmoralisch, ist völlig egal“, führte Vorländer aus. In der Folge vertiefte der Pfarrer ausgewählte Gedanken aus dem Buch „Radikale Gastfreundschaft“, das uns heute die benediktinische Regel als inspirierenden Lebensraum entdecken lasse. „Gastfreundschaft als spiritueller Weg. Gastfreundschaft als Weg des geistlichen Lebens“, nannte Vorländer den grundlegenden Gedanken. Dabei gehe es um die Überwindung der Angst vor dem Fremden. Nur wenn wir uns den Nöten von uns unbekannten Menschen öffneten, sie beherbergten, sie speisten, könnten wir dem fremden, unbegreiflichen, rätselhaften Gott begegnen.
„Inspirierender Lebensraum“
Radikale Gastfreundschaft bedeute nicht, es sich ein bisschen nett zu machen, sondern den Schutz von Menschen. Gleichzeit heiße Gastfreundschaft, „vor dem Schweren nicht wegzulaufen“. Dabei gehe es erneut um die beidseitige Erfahrung von Liebe, die uns transformiere. „In christliche Cafés und auch in 25 Jahren Café Lichtblick kamen immer auch wieder Menschen, die einen Ort brauchten (…) um etwas zu erzählen, was sie vielleicht keinem anderen so erzählen konnten und können“, verwies Vorländer auf erschütternde Lebensgeschichten, wo man nicht helfen könne. In diesen Situationen bedeute Gastfreundschaft, genau das „nicht helfen zu können“ auszuhalten: „Herzensgastfreundschaft lässt sich berühren, selbst wenn sie keine Lösung anbieten kann.“ Schließlich erlaubten radikale Gastfreundschaft und benediktinische Offenheit dem Fremden fremd zu bleiben, so der Seelsorger. „Was für ein inspirierender Lebensraum, welch eine lohnende Abenteuerreise, wenn wir uns von Jesus in diese radikale Haltung hineinnehmen lassen. Er wird an unserer Seite sein und wir werden aus dem Staunen nicht herauskommen.“ Genau das wünschte Vorländer der Brückenschlag-Gemeinde, Café Lichtblick – und der ganzen Welt.
Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich
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