28. Altenberger Forum: „Der Friede ist bedroht, der Friede hat seinen Preis“
In einem ökumenischen Gottesdienst, gehalten von Pfarrer Christoph Bernards mit Superintendent Torsten Krall und Kreisdechant Norbert Hörter im Altenberger Dom, wurden die Besuchenden schon auf das brandaktuelle Thema Frieden eingestimmt, was anschließend im Martin-Luther-Haus im Rahmen des Altenberger Forums diskutiert wurde. Zum 28. Mal hatten die evangelische und die katholische Kirche in Altenberg sowie der Rheinisch-Bergische Kreis in das Martin-Luther-Haus zu einer interessanten und teilweise kontroversen Diskussion eingeladen, die auch im Livestream ins Internet übertragen wurde.
Auf dem Podium begrüßte Moderatorin Melanie Wielens Prof. Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven, Direktor des Instituts für Theologien und Frieden in Hamburg, Dr. Matthias Engelke, Pfarrer, Friedenstheologe und Mitbegründer des Instituts für Friedenstheologie und Militärdekan Dr. Roger Mielke vom evangelischen Militärpfarramt Koblenz.
„Die Welt ist im Wandel – ist der Frieden am Ende?“
Melanie Wielens begann die Diskussion mit einer bitteren Bestandsaufnahme. „Die Nachkriegsordnung ist ins Wanken geraten, wir haben wieder Krieg in Europa. Die internationalen Beziehungen werden neugestaltet, die Energiepolitik muss komplett neu aufgestellt werden.“ Auch müsse über Aufrüstung nachgedacht werden und man habe zu diskutieren, in welcher Form Verteidigung möglich ist. „Ist der Frieden wirklich am Ende?“
Krieg lässt sich durch Zusammenschluss verhindern
„Die Europäische Union ist eine Revolution in der Menschheitsgeschichte.“ Professor Justenhoven stellte die EU als historisches Beispiel dar, wie durch einen Zusammenschluss von Staaten der Friede gesichert werden kann. „Das ist ein Beispiel, wie Frieden funktionieren kann. Die Herrschaft des gemeinsamen Rechts sichert gewaltfreie Konfliktlösungen.“ Matthias Engelke stimmte dem zu und erinnerte an Robert Schuman als Vorkämpfer der deutsch-französischen Verständigung. „Schuman schlug nach dem Krieg eine gegenseitige Kontrolle im Bereich der Schwerindustrie vor, das war der Vorläufer der Montanunion.“ Roger Mielke stellte ganz klar fest: „Der Friede ist bedroht, der Friede hat seinen Preis.“
Wie geht man mit internationalen Rechtsbrechern um?
Roger Mielke warf viele Fragen in den Raum. „Wie geht dieses Europa mit demjenigen um, der sich dem gemeinsamen Recht entzieht? Wie geht man mit den Verlierern des europäischen Projektes um?“ Die Russen würden sich als Verlierer der Entwicklungen nach 1989 sehen und begründeten damit ihren Krieg, da sie sich im Recht sehen würden. Allerdings seien hier noch weitere Fragen zu stellen: „Wie geht dieses Europa mit demjenigen um, der sich dem gemeinsamen Recht entzieht? Wer setzt das Recht durch? Was bedeutet hier militärische Gewalt?“
Nach christlichem Verständnis ist der Friede nie am Ende
Matthias Engelke brachte die christliche Seite in die Diskussion mit ein. Das System der UN sei an die Wand gefahren worden, aber könne man deshalb sagen, der Friede sei am Ende? „Wenn man als Christ diese These vertritt, ist das schon blasphemisch. Nach christlichem Verständnis ist der Friede nie am Ende.“ Schon im Gottesdienst wurde die Frage aufgeworfen, ob man mit der Bergpredigt Politik machen kann. „Hier geht es um Nächstenliebe und Feindesliebe – ist das wirklich praktikabel?“ Professor Justenhoven differenzierte hier ganz klar: „Feindesliebe zielt nicht auf die Tat, sie zielt auf den Menschen. Die deutsch-französische Versöhnung hat gezeigt, dass so etwas funktioniert.“ Roger Mielke war der Ansicht, „man kann mit dem christlichen Glauben keinen Staat machen. Selbst Jesus wollte keine politische Verantwortung. Wer die Bergpredigt jedoch ernst nimmt, der macht Politik in diesem Sinne.“
Matthias Engelke machte darauf aufmerksam, dass wir aus einem jahrzehntelangen bequemen Sicherheitssystem aufgewacht sind. Wir in Deutschland seien lange von anderen beschützt worden und hätten es unter diesem Schutzschirm recht gemütlich gehabt. Jetzt seien wir da mit einem Knall herausgerissen worden und müssten uns ganz neuen Problemen stellen. „Die Welt und die Menschen sind gewaltgeneigt wie immer davor. Diese politische Ordnung muss verteidigt werden. Aufgabe der Kirche ist die Identifikation mit der Ordnung und das Bewusstsein zu schaffen, dass das seinen Preis hat.“
Im weiteren Verlauf wurde der konkrete Krieg in der Ukraine angesprochen. Soll die Ukraine kapitulieren? Professor Justenhoven hatte eine klare Position: „Das bleibt die Entscheidung des Angegriffenen. Wir müssen diskutieren, ob wir unterstützen. Es gibt eine Hilfspflicht. Aggression darf sich nicht lohnen, wir fallen sonst in die Welt des 19. Jahrhundert zurück.“ Alle waren sich einig, dass Russland mit dem Angriffskrieg einen massiven Rechtsbruch begangen hat.
Das Thema Gewalt spaltete allerdings die Gemüter. „Wie viele Tote ist ein gewonnener Quadratmeter wert?“, war die provokante Frage von Roger Mielke. „Das Recht auf Verteidigung hat da eine Grenze, wo ich jemand anderen töte“, so Matthias Engelke. Professor Justenhoven war da ganz anderer Meinung: „Der Verteidiger hat nie die Absicht, zu töten. Er hat das legitime Recht, sich zu wehren, bevor er selbst getötet wird. Der Angreifer hat seinen eigenen Tod dann billigend in Kauf genommen.“
Das Publikum bewegten die gleichen Fragen, die zuvor diskutiert wurden. Wie ist dieser Konflikt einzuordnen? Kann man als Christ Gewalt ausüben? Wie differenziert man gut oder böse? Niemand konnte eine Lösung oder eine finale Antwort auf die Fragen geben, aber alle vereinte der Wunsch nach Frieden.
Text: Dr. Klemens Surmann
Foto(s): Dr. Klemens Surmann
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