Diskussion zur Zukunft der Kirchensteuer: Herausforderungen und Lösungsansätze
„Kirchensteuer ohne Ende – das Ende der Kirchensteuer?“: Die Zukunft der Kirche hängt ganz wesentlich mit der Zukunft ihrer Finanzierung zusammen. Doch wie könnte die aussehen? Darüber diskutierten in der Karl Rahner Akademie Dr. Anna Ott (seit dem 1. September Kanzlerin der Kurie in Mainz), Gordon Sobbeck (Finanzdirektor und Ökonom des Erzbistums Köln) und Superintendent Markus Zimmermann (Vorsitzender des Ständigen Finanzausschusses der Evangelischen Kirche im Rheinland) in der Karl Rahner Akademie. Der ökumenische Abend wurde moderiert von Norbert Bauer, Leiter der Karl Rahner Akademie, und Dr. Martin Bock, Leiter der Melanchthon-Akademie.
Norbert Bauer erinnerte sich an ein Gespräch, das er zu Beginn seines Studiums mit Oswald von Nell-Breuning führen durfte. Der habe ihm geraten: „Lesen Sie jeden Tag den Wirtschaftsteil der Zeitung! Das brauchen Sie als Theologe.“ Sehr eindrücklich seien die unmittelbaren Auswirkungen der sinkenden Kirchensteuereinnahmen für ihn geworden, als das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Köln beschließen musste, dass man sich von zwei Kirchen (Thomaskirche und Lutherkirche) als Gottesdienstorten trennt. Gründe seien neben der sinkenden Zahl der Kirchenmitglieder, wie sie beispielsweise die „Freiburger Studie“ und die „Projektion 2060“ prognostizieren, die demografische Entwicklung sowie persönliche Entscheidungen.
Historischer Überblick auf das „System Kirchensteuer“
Bevor die Podiumsgäste miteinander ins Gespräch kamen, gab Dr. Anna Ott einen historischen Überblick und erläuterte das „System Kirchensteuer“ aus katholischer Perspektive.
Seinen Ursprung hatte diese Form der Finanzierung in den politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen des 19. Jahrhunderts, insbesondere im Reichsdeputationshauptschluss von 1903.
Sinkende Pfründeeinnahmen und die Ablösung des Zehnt sollten durch die Einführung einer Pflichtabgabe ausgeglichen werden. Ott bescheinigte dem „System Kirchensteuer“ eine „hohe Funktionalität und, abgesehen von der Umstellung von der Orts- auf die Diözesankirchensteuer in den 50er Jahren, eine beachtliche Kontinuität.“ Auch waren kirchliche Ausgaben so besser planbar.
Kirchensteuer in Deutschland sehr stark rechtlich verankert
Die Kirchensteuer sei in Deutschland sehr stark rechtlich verankert, erklärte Ott. Sie sei verfassungskonform und nur mit einer 2/3-Mehrheit zu ändern. Die Verwendung sei eng an kirchliche Aufgaben geknüpft: Gottesdienste, Werke des Apostolats und der Caritas sowie der Unterhalt der Angestellten. Daraus ergebe sich auch eine Sorgfaltspflicht im Umgang mit den Geldern.
Anhand einer Grafik veranschaulichte Anna Ott dann die Zusammensetzung und die Entwicklung der Kirchensteuereinnahmen des Erzbistums Köln von 2008 bis 2018. Maßgeblich sind die drei Komponenten Lohnsteuer, Einkommenssteuer sowie die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge. Hinzu kommen (in sehr geringem Maße) Einnahmen aus dem „besonderen Kirchgeld“, das gut verdienende Personen zahlen, die selbst nicht Mitglied einer Kirchensteuer erhebenden religiösen Vereinigung sind, jedoch mit einem weniger gut verdienenden Kirchenmitglied verheiratet sind.
Dass eine fehlende Kirchenmitgliedschaft ähnliche Folgen nach sich zieht wie eine Exkommunikation, kritisierte Anna Ott als unverhältnismäßig, zumal es keine Prüfung der Motive gebe.
Wofür wird die Kirchensteuer verwendet?
Offensichtlich hat die Institution der Kirchensteuer nicht nur ein demografisches, sondern auch ein Akzeptanz-Problem. Die durch Säkularisierung, Intransparenz und Skandale bestärkte Entfremdung führt zu weniger Taufen und einer steigenden Zahl von Kirchenaustritten, weniger Kirchenmitglieder wiederum bedeuten weniger Kirchensteuerzahlende. Darin könne aber auch eine Chance liegen, stellte Ott fest. Die Frage „Wofür wird die Kirchensteuer verwendet?“ und die damit verbundene Verantwortung rücke wieder stärker in den Fokus.
Ältere, sehr optimistische Prognosen besagten zwar, dass die Einnahmen aufgrund der positiven Lohnentwicklung nominal noch eine Weile steigen würden, faktisch erhielt bereits im Jahr 2023 die Römisch-Katholische Kirche in Deutschland etwa 6,51 Milliarden Euro (330 Millionen Euro bzw. 5 Prozent weniger als im Vorjahr) Kirchensteuer und die Evangelische Kirche nahm 5,9 Milliarden Euro (5,3 Prozent weniger als im Vorjahr) ein. Zudem sinke die Kaufkraft des Geldes.
Breitere Finanzierung der Kirchen
Anna Ott beließ es aber nicht bei der historischen Herleitung und der Darstellung der gegenwärtigen Situation, sondern zeigte auch Handlungsoptionen auf: Zum einen riet sie den Kirchen, sich in Hinblick auf ihre Finanzierung breiter aufzustellen, zum anderen, das Sparpotential von Priorisierung und Profilierung zu nutzen und innerhalb des Systems zu reformieren, beispielsweise indem Spenden von der Kirchensteuerlast abgezogen werden können.
Kirchensteuerhoheit bei den Gemeinden
Zu Beginn der anschließenden Diskussion wies Superintendent Markus Zimmermann darauf hin, dass in der evangelischen Kirche die Kirchensteuerhoheit bei den Gemeinden liegt. Etwa 21 Prozent würden für landeskirchliche Aufgaben verwendet. Allerdings zahlten immer mehr Menschen, z.B. Rentner*innen oder Geringverdiener*innen, keine Kirchensteuer (mehr). Die Gemeinden müssten sich verändern. So werde sein Kirchenkreis Köln-Nord von 16 auf 12 Gemeinden „schrumpfen“ und man müsse mehr als zehn Kirchen abgeben. Als Beispiel nannte er seine Heimatgemeinde, die Begegnungsgemeinde. Dort wurden beide Kirchen zugunsten eines (mittlerweile mit dem Kölner Architekturpreis ausgezeichneten) Neubaus aufgegeben. Schließlich wies der Superintendent auf zwei zukünftige Herausforderungen hin: Alle Gemeinden müssen bis 2026 über ihre Gebäude entscheiden und bis 2035 klimaneutral sein.
Gordon Sobbeck stellte fest: „Das Erzbistum hat sich auf den Weg gemacht!“ Im „Wirtschaftlichen Rahmenplan 2030“ habe man eine Perspektive entwickelt und die Prozesse daraufhin ausgerichtet „Ich bin ein Verfechter des Systems Kirchensteuer!“, bekannte der ehemalige Kämmerer. Es handele sich um ein Solidarsystem, in dem 25 Prozent der Zahlenden etwa 85 Prozent des Aufkommens erbringen. Die Kirchensteuer ermögliche Unabhängigkeit und eine Änderung des Systems würde zu großen Umwälzungen führen.
„Warum Kirchensteuer?“ – „Weil ich meinen Beitrag leisten möchte.“
Norbert Bauer brachte eine Idee aus Österreich ins Spiel, wo 50 Prozent der Steuer einem konkreten Zweck zugeordnet werden können. Markus Zimmermann bemerkte, dass das „Ortsgemeindedenken“ zunehmend überholt sei. Spendenbereitschaft sei vorhanden. „Wir müssen viel mehr ermöglichen“, forderte Zimmermann und skizzierte die Vision einer „einladenden Kirche“. Auf die Frage „Warum Kirchensteuer?“ sollte die Antwort lauten können: „Weil ich meinen Beitrag leisten möchte.“
Gordon Sobbeck verwies – in Analogie zu den evangelischen Konzepten – auf zwei wesentliche Strategiepläne des Erzbistums: den Nachhaltigkeitsplan und ein Verfahren zur Priorisierung. „Künftig darf auch die Frage nach der Wirkung der eingesetzten Mittel eine Rolle spielen“, forderte er. Als Martin Bock nach den ökumenischen Schnittstellen in der Debatte fragte, zeigte sich Anne Ott überzeugt: „Politische Veränderungen können die beiden großen Kirchen nur gemeinsam durchsetzen.“
Optimistischer Blick auf die notwendigen Fusionsprozesse
Markus Zimmermann setzte den eher pessimistischen Zukunftsaussichten einen optimistischen Blick auf die notwendigen Fusionsprozesse entgegen. „Die Gemeinden entdecken einander“, schilderte er seine Erfahrungen und ermunterte, sich „über den eigenen Tellerrand zu bewegen“. Dem Bekenntnis des Superintendenten „Ich bin ein totaler Fan von Fusion!“ setzte Anna Ott entgegen: „Fusionsprozesse müssen sehr gut begleitet sein.“
Das Publikum in der Karl Rahner Akademie bewegte die Frage nach der Verweigerung eines katholischen Begräbnisses für Nicht-Kirchenmitglieder. Auf dem Podium war man sich einig, dass dafür pragmatische Lösungen vor Ort gefunden werden müssten (und bereits werden). Eine weitere Frage aus dem Auditorium zielte auf die Anrechnung der Immobilienerträge auf den Kirchensteueranteil. Markus Zimmermann erläuterte daraufhin, dass ein Finanzausgleich stattfinde. Auch kritisierte er die Haltung der ehemaligen Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner, die Kirchengebäude als Allgemeingut ansieht und eine Aufgabe für nicht zulässig hält.
Das „ökumenische“ Fazit des Abends lieferten schließlich Anna Ott, die darauf hinwies, dass es das „perfekte System“ nicht gebe und Martin Bock, der feststellte, dass „die Mittel schwinden und die Aufgaben wachsen“.
Text: Priska Mielke
Foto(s): Priska Mielke
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