Kölner Ökumene-Aktion „Füreinander da sein“ ruft zur Solidarität auf
Weihnachten ist nicht allen nach feiern zumute. Es gibt die Einsamen, Obdachlosen oder Geflüchteten, die sich danach sehnen, nicht übersehen zu werden. Mit einem Altenheim-Besuch setzten der Kölner Stadtdechant Msgr. Robert Kleine, Stadtsuperintendent Bernhard Seiger und der Vorsitzende des Katholikenausschusses in der Stadt Köln, Gregor Stiels, jetzt ein Zeichen der Verbundenheit.
Gertrud Teubner laufen unaufhörlich Tränen über die Wangen. Dann vergräbt sie ihr Gesicht in den Händen und erzählt von ihren zwei an Krebs verstorbenen Kindern. Und davon, dass sie schon Mitte 30 Witwe geworden ist und seitdem alleinerziehend war. Mit einem Mal ist die Vergangenheit wieder ganz präsent, und alle Traurigkeit über die schmerzlichen Verlusterfahrungen bricht förmlich aus der zierlichen Frau heraus. Dann betrachtet sie fast zärtlich die Nussschale mit der winzigen Krippendarstellung in ihrer Hand. „Die bekommt einen Ehrenplatz bei mir“, versichert die 84-Jährige. Und mit dem Anflug eines Lächelns fügt sie hinzu: „Sie wird mir Mut und Kraft geben.“
Erst wenige Monate lebt die Seniorin, die sich in ihrer Wohnung alleine nicht mehr versorgen konnte, im Marie Juchacz-Zentrum, einer Altenpflegeeinrichtung der AWO in Köln-Chorweiler. „Zuhause war ich in den letzten Jahren sehr einsam, hier habe ich wenigstens Gesellschaft“, macht sie sich selbst Mut. Und trotzdem legen die nahende Weihnachtszeit und die gemütliche Kaffeerunde im Wohnbereich „Oase“ des Hauses „Meine Welt“, wo auf mehreren Etagen in den Aufenthaltsräumen mit üppigem Weihnachtsschmuck eine heimelige Atmosphäre geschaffen wurde, wieder alle seelischen Wunden offen, die ihr das Leben in den letzten 50 Jahren geschlagen hat. Zuletzt auch noch das mühsame Eingeständnis, ohne Hilfe den Alltag alleine nicht mehr bewältigen zu können und unter diesem Druck in eine Senioreneinrichtung umziehen zu müssen.
Seiger: „Wir wollen aneinander denken. Besonders jetzt.“
Wie wichtig es ist, dass sich jemand für ihre Geschichte interessiert, ihr aufmerksam zuhört und einen Moment der Zuwendung schenkt, ist der Heimbewohnerin deutlich anzusehen. Lange bleibt Gregor Stiels, der Vorsitzende des Katholikenausschusses in der Stadt Köln, daher auch an ihrem Tisch. Er hat Zeit, ihr ein wenig Trost zu spenden. Genauso machen es Stadtsuperintendent Seiger und Stadtdechant Kleine auch. Beide Seelsorger nehmen sich an diesem Nachmittag bewusst mehr als nur einen flüchtigen Moment für ein ermunterndes Wort oder einen kurzweiligen Plausch bei ihrem Rundgang durch das AWO-Heim. Dafür ist eigens dieser Besuch gedacht. Und als Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche in Köln bringen sie jeweils mit dem Krippchen einen kleinen Gruß der Verbundenheit mit.
„Wir wollen solidarisch füreinander da sein, aneinander denken. Besonders jetzt. Und Ihnen die frohe Botschaft von Weihnachten bringen“, wendet sich Seiger den alten Menschen zu. „Wir wollen Ihnen sagen, dass Sie in dieser schweren Zeit, in der wir alle unsere Kontakte einschränken müssen, dennoch nicht alleine sind, wir in unseren Weihnachtsgottesdiensten an Sie denken und Sie in unsere Gebete einschließen“, versichert Kleine.
Stiels: „Wir wollen ein bisschen Wärme bringen.
Im Wohnbereich „Chlodwigsplatz“ – bekannte Kölner Straßennamen sollen den Heimbewohnern die Orientierung innerhalb des weitläufigen Hauses erleichtern – geht es aufgekratzter zu. Iris Asholt von der Sozialen Betreuung übt gerade mit einer Tischrunde Senioren zur großen Belustigung aller Beteiligten eine Weihnachtsgeschichte zum Mitspielen ein. Auf das Stichwort „Maria“ soll Rosemarie Kuske, 83 Jahre, mit einem „Oh Jott, oh Jott, et kütt, et kütt“ reagieren und Rudolf Blonsker – in der Rolle des Josef – an der ihn bestreffenden Stelle ein besänftigendes „Et hätt noch immer jot jejange“ beitragen. Wenn in der Geschichte von den Engeln die Rede ist, muss jemand schnell mit „blink, blink“ einspringen, und ist der Heilige Geist an der Reihe, ruft es aus den hinteren Reihen mit nicht nachlassender Begeisterung: „Hauptsache, es hätt Spaß gemacht.“ Asholt und ihre Kollegin aus der Pflege geben sich alle Mühe, die Gruppe aus der Reserve zu locken und zu aktivieren. Nicht ganz einfach, aber irgendwie macht dann doch allen das pointensichere Verwirrspiel um den pünktlichen Einsatz dieser Zwischenrufe erkennbar Freude.
Auch in diesem Kreis stellen die drei Vertreter der christlichen Kirchen in Köln ihr Anliegen vor, das auf Solidarität mit- und untereinander abzielt. Einfühlsam beteuern sie, dass angesichts der besonderen Herausforderungen dieses zu Ende gehenden Corona-Jahres niemand vergessen wird. Auch das Pflegepersonal bedenken sie gezielt mit Anerkennung für ihren Dienst und vorbereiteten Weihnachtsgrüßen.
„Die Pflegenden ersetzen in Pandemie-Zeiten oft die Angehörigen und sind die echten Helden des Alltags“, unterstreicht Gregor Stiels. „Unsere Aktion wollen wir als symbolische Geste verstanden wissen und damit konkret zeigen, dass wir Kontakt zu den Menschen in den Heimen, die unter Corona besonders zu leiden haben, aber eben auch zu denen, die sich dort tagtäglich um sie kümmern, herstellen und gleichzeitig ein bisschen Wärme in ihr Leben bringen wollen.“
Kleine: „Menschliche Nähe ist gerade zu Weihnachten wichtig.“
„Weihnachten ist das Fest der Gemeinschaft – in Familie und mit Freunden. Aber es gibt immer auch Menschen, für die das eine schwere Zeit ist und die dann umso schmerzhafter erfahren, dass sie niemanden haben, und für die sich ihre Einsamkeit durch Corona und die geltenden Kontaktbeschränkungen noch potenziert hat. Sie dürfen in dieser Zeit nicht aus dem Blick geraten und gesellschaflich hinten überfallen“, erklärt Robert Kleine zu dieser ökumenischen Initiative. „Im Gegenteil. Sie sollen spüren, dass sie dazugehören und wahrgenommen werden. Dieser Besuch soll auf andere ausstrahlen und möglichst viele dazu animieren, ebenfalls für kleine Gesten der menschlichen Nähe, die gerade zu Weihnachten so wichtig ist, zu sorgen.“
Es gehe um Menschlichkeit, betont der Kölner Dom- und Stadtdechant weiter, „und darum, dass wir unseren Blick, der sich durch die Pandemie gerade verengt, auch für diejenigen weiten, die wir gar nicht kennen, aber die in unserer unmittelbaren Nachbarschaft leben oder die – wie die Obdachlosen – am Heiligen Abend nicht in einem beheizten Wohnzimmer behütet unter einem Tannebaum sitzen.“ Jesus Christus sei vor 2000 Jahren in einem Stall zur Welt gekommen, erinnern Seiger und Kleine. „Underdogs“ und Menschen fremder Kulturen hätten ihn damals gefunden. „Das soll uns Beispiel sein und ist auch für uns heute noch als Christen eine Herausforderung, die Freude über die Geburt Christi mit Menschen zu teilen, die für uns manchmal eher unsichtbar sind oder am Rande unserer Gesellschaft stehen.“
Beide Kirchen senden eine Botschaft der Verbundenheit
„Vereinsamung ist die große Not unserer Zeit, die nicht klein zu reden ist“, betont Stadtsuperintendent Seiger. „Wir dürfen sie nicht übersehen.“ Daher wollen in diesen Tagen beide Kirchen in Köln eine Botschaft der Verbundenheit senden. An Weihnachten zeige Gott, dass ihm nichts Menschliches fremd sei, dass er sich einlasse auf diese Not, so der Repräsentant der evangelischen Kirche. „Gott ist an unserer Seite“, unterstreicht Seiger. „In diesen besonderen Zeiten geht es darum, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass es so viele Menschen gibt, die in den Blick genommen werden sollten.“
Text: Beatrice Tomasetti
Foto(s): Beatrice Tomasetti
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