Lebendige Geschichte – Dr. Otto Dinger schreibt ein Buch über Delling

Seit 200 Jahren gehört der Familie von Dr. Otto Dinger das Haus Berkey in Delling. Etwas Besonderes ist das auch deshalb, weil Delling selbst ein außergewöhnlich gut erhaltenes Ensemble von sechs Fachwerkhäusern rund um die evangelische Kirche ist. Der kleine Ort in der Nähe von Kürten hat eine wechselvolle Geschichte erlebt. Darüber hat Otto Dinger ein Buch geschrieben: „Die Delling. Eine Kirche und sechs Häuser“.

„Mein Büchlein“ sagt der pensionierte Geograph und Volkskundler bescheiden, wenn er von der 70-seitigen, reich bebilderten Broschüre spricht. Dinger ist mit der Geschichte von Delling aufgewachsen. Über Generationen haben Väter und Großväter die Historie weitererzählt, so auch Dingers Familie. Als weitere Quelle diente dem Autor das Standardwerk „Die Delling“ von Marie-Luise Denst, das 1984 erschien, zum 150-jährigen Jubiläum der Kirche. „Die Delling“ sagen die Dellinger, weil ihr Ort in einer kleinen Talsenke liegt, eben in einer „Delle“ im Gelände. Bereits in Densts Buch hatte Dinger einen Beitrag veröffentlicht.

Zuflucht für evangelische Christen

Die Geschichte der Delling ist auch eine Geschichte der Konfessionen. In den Wirren von Reformation und Gegenreformation gewährte der Lehnsherr des Gutshofes einer Schar von vertriebenen reformierten Christen, die nicht zum Katholizismus zurückkehren wollten, im 30-jährigen Krieg (1618-1648) Zuflucht auf seinem Gut. Heimlich konnten sie hier auch ihren Gottesdienst feiern.

Als sich die Wirren legten und die Protestanten auch im katholischen Rheinland ihren Glauben wieder offen leben konnten, fühlten sie sich in Delling längst zu Hause. Als das Gut verkauft wurde, sahen sie ihre Chance gekommen, hier dauerhaft Heimat zu finden. Und so kam auch der Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus auf. Mit Hilfe einer königlichen Finanzspritze von 1300 Talern unterstützte der protestantische König Friedrich Wilhelm III. den Bau im Rahmen seiner Förderung von protestantischen Gemeinden.

Ein königlicher Baumeister

Für den Bau wurde nicht irgendjemand gewonnen, sondern der Baumeister Karl Friedrich Schinkel, den man heute zweifellos als Stararchitekt feiern würde. Der klassizistische Ausbau Berlins im Auftrag des Königs wurde von Schinkel geprägt. Er wurde beauftragt, in Delling eine Notkirche zu bauen, erzählt Otto Dinger. Weil die Dellinger so arm waren, wurde ihnen zudem erlaubt, reichsweit, in ganz Preußen eine Kollekte für den Kirchbau abzuhalten. Heute steht deshalb eine echte Schinkel-Kirche in dem Weiler, die vor einigen Jahren aufwändig saniert wurde.

Rund um die Kirche und das alte Gut, das heute ein beliebtes Restaurant beherbergt, gruppieren sich neben Haus Berkey (so hießen Dingers Vorfahren) noch das alte Schulhaus und das alte Pastoral. Gemeinsam mit dem Friedhof, auf dem Pfarrer Ralph Knapp künstlerische Tafeln mit Impulsen aufgestellt hat, bildet das Ensemble mit der Landschaft drum herum einen lohnenswerten Wanderweg. Regelmäßig finden im Gemeindehaus auch Veranstaltungen der Evangelischen Kirchengemeinde Delling statt.

Ein Wunder im Weltkrieg

Otto Dinger lebt bis heute in Delling – allerdings nicht in den Wintermonaten. Dann wäre es in den Fachwerkhäusern, die keine Heizung, sondern nur einen Ofen haben, zu kalt. Auch sonst heißt es, sich an die Lebensbedingungen in so einem alten Haus anzupassen: „Sie können hier keinen Nagel in die Wand schlagen und die Mäuse laufen durchs Gebälk“, sagt Dinger mit einem Lachen. Vieles hat sich mit den Jahren verändert in dem kleinen Ort – doch das einzigartige Lebensgefühl bleibt. Daran lässt der Autor keinen Zweifel.

Dass Delling am Ende des Zweiten Weltkrieges nicht zerstört wurde, weil die Amerikaner auf einen versprengten deutschen Soldaten trafen, der in der Wiese lag und auf sie schoss, grenzt an ein Wunder. Die US-Soldaten nahmen den Ort unter Feuer. „Die Kugeln flogen durch die Wände der Häuser“, erzählt Otto Dinger. Noch heute sind die Spuren auch im Haus seiner Familie. „Die Geschosse durchdrangen das Schlafzimmer und landeten im Plumeau“, erzählt Dinger. „Gott sei Dank hat an dem Tag keiner Mittagsschlaf gemacht.“

Otto Dinger, Die Delling. Eine Kirche und sechs Häuser, herausgegeben von der Evangelischen Kirchengemeinde Delling, 70 Seiten, zahlreiche Fotos, broschiert. Für 9,80 Euro erhältlich in der evangelischen Kirche Delling, im Restaurant „In der Delling“ und in der Buchhandlung Bücherwolf, Im Winkel 5, in Kürten.

www.kirche-delling.de

Text: Hildegard Mathies
Foto(s): Dr. Otto Dinger

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