Sitzungsmarathon in digitaler Form – Die Landessynode der EKiR 2021
Manchmal dauert es ein wenig länger, als gedacht – das galt auch für die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), die von Montag bis in den frühen Freitagabend zum ersten Mal in digitaler Form getagt hat. Höhepunkt war für die 193 Abgeordneten aus dem 37 Kirchenkreisen die Wahl von Dr. Thorsten Latzel zum neuen Präses der Landeskirche. „Ich freue mich, dass wir gestern als Synode eine klare Wahlentscheidung getroffen haben“, sagte Stadtsuperintendent Bernhard Seiger am Freitag. „Wir hatten drei respektable Kandidaten, die sich zur Wahl gestellt haben.
Mit Thorsten Latzel kann nun eine neue Phase in der Entwicklung unserer Kirche beginnen. Er ist nah dran an den Dialogen unserer Zeit, er stellt die richtigen Fragen und hat klare Koordinaten zur Urteilsbildung in evangelischem Geist. Durch seine Tätigkeit im Akademiebetrieb und früher auf EKD-Ebene ist er in der Lage, den Dialog der Theologie mit anderen Disziplinen zu führen, sich gegenüber Politik und Medien sicher zu bewegen und Räume mit dem Kompass des Evangeliums auszuschreiten.“
Weiter sagte Bernhard Seiger zu dem neuen Präses, der am 20. März 2021 in sein Amt eingeführt wird: „Ich finde es spannend, wie er Glaubensfragen und ethischen Fragen theologisch bedenkt, er geht sprachlich verständliche Wege, die den Dialog mit Kirchenfernen erleichtern. Ich glaube gerade in der Pandemie brauchen wir auch ehrliche, sprachlich und theologisch stimmige Formen der Kommunikation. Er setzt auf den Dialog mit der jüngeren Generation. Wir werden als Landeskirche in seiner Amtszeit manche Veränderungen gestalten, da können uns im Rheinland sein Überblick und seine Weite helfen. Ich bin gespannt auf den neuen gemeinsamen Weg und ganz zuversichtlich, dass wir als Kirche mit ihm auch ein gutes Bild in der Öffentlichkeit abgeben.“ Latzel folgt auf Präses Manfred Rekowski, der im März in den Ruhestand gehen wird.
Doch auch viele andere Positionen in der Kirchenleitung und den Ständigen Synodalen Ausschüssen wurden besetzt. Miriam Haseleu, stellvertretende Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreis Köln-Mitte, wird neues nebenamtliches Mitglied in der Kirchenleitung. Als Ziel für ihre Arbeit nannte Haseleu, dass sie an einer Vision von Kirche mitarbeiten wolle, die sich für eine diverse und solidarische Gesellschaft einsetzte.
Die Synode wählte den Kölner Superintendenten Markus Zimmermann mit 165 Stimmen wieder zum Vorsitzenden des Finanzausschusses. „Dies war eine in mehrfacher Hinsicht außergewöhnliche Synode: Sie war rein digital und dabei standen auch noch wichtige Kirchenleitungswahlen auf dem Programm. Ein großes Lob für die, die für einen reibungslosen technischen Ablauf der Synode gesorgt haben!“, sagte Zimmermann am Freitag. „Aber trotz aller digitalen Möglichkeiten fehlten der unmittelbare Austausch zwischendurch, die wichtigen Nebengespräche und die geselligen Abende sehr! Daher hoffe ich sehr, dass die nächste Synode wieder präsentisch tagen kann.“
Zu den vielen Personalentscheidungen sagte der Superintendent des Kirchenkreises Köln-Nord: „Die Wahlen waren spannend. Ich freue mich darüber, dass wir Kölner mit Miriam Haseleu in der neuen Kirchenleitung vertreten sind. Die Präseswahl verlief überraschend klar. Ich habe nicht damit gerechnet, dass das Ergebnis bereits nach dem ersten Wahlgang feststand. Dr. Thorsten Latzel wird nun lernen müssen, wie die rheinische Kirche tickt und funktioniert. Auf meine Zusammenarbeit als Vorsitzender des landeskirchlichen Finanzausschusses mit dem neuen Präses, dem neuen Finanzdezernenten Henning Boecker sowie der Kirchenleitung bin ich sehr positiv gespannt.“
Mit Blick auf die Zukunft der Kirche erklärte Zimmermann: „Angesichts der vor uns liegenden gesamtkirchlichen Herausforderungen durch den Mitgliederrückgang sowie die finanziellen Folgen der Corona-Epidemie stehen wir vor schwierigen und unbequemen Entscheidungen. Unsere Kirche muss und wird sich verändern. Sie hat aber eine gute Zukunft! Dies wurde vor allem auf der Synode auch daran deutlich, dass die junge Generation in unserer Kirche nicht nur synodale Andachten wunderbar gestalten kann, sondern auch in Gremien und Ämter auf allen Ebenen drängt und aufrückt. Es geht ein notwendiger Ruck durch unsere Kirche! Viel Aufbruch, Bewegung und Dynamik sind zu spüren, und ich hoffe, dass sie zunehmend in die Gemeinden dringt und nach außen strahlt, damit sich junge Menschen wieder von der evangelischen Kirche angesprochen fühlen. Partizipation wird bei uns gelebt. Bei uns gibt es keine erstarrten Hierarchien, sondern jeder und jede kann mitmachen und Verantwortung übernehmen. Insgesamt also eine spannende und in die Zukunft weisende Synode!“
Darüber hinaus wählte die Synode mehrere Vertreterinnen und Vertreter aus den vier Kölner Kirchenkreise in die Ständigen Synodalausschüsse. Superintendentin Andrea Vogel wird weiter im Ausschuss für Kirchenordnung und Rechtsfragen mitarbeiten. „Mich hat auf dieser Synode, die das erste Mal als digitale Synode tagte, beeindruckt, wie auch dort das Miteinander Ringen gute Lösungen generierte“, sagte Vogel mit Blick auf die Tagung des obersten Leitungsgremiums der Landeskirche. „Es gab auch auf dem digitalen Weg der Synode lebhafte, diskussionsfreudige Abgeordnete. Manche Themen kommen oft und schnell wieder auf die Tagesordnung: Nach der Presbyteriumswahl ist vor der Presbyteriumswahl.“
„Manchmal denkt man auch, warum wir uns schon wieder mit dem Thema Presbyteriumswahlen befassen; wir haben doch gerade erst im letzten Jahr die Presbyter/innen gewählt“, sagte Vogel weiter. „Es war die Frage aufgeworfen worden, wie kann und sollte man die Presbyteriumswahlen 2024 gestalten. Ein Vorschlag zielt darauf hin, die Wahlen 2024 online zu ermöglichen. Hierzu gab es generationenübergreifend ein positives Votum.“ Aber auch die Arbeit in den Ausschüssen würdigte die Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch: „Viele mögliche Entscheidungen werden in Tagungsausschüssen vorbereitet und anschließend in der Synode nochmals diskutiert und entschieden. Es erfreut, wenn die Vorarbeit in den Ausschüssen Früchte trägt durch eine Entscheidung im Plenum.“
Superintendentin Susanne Beuth wird in den nächsten Jahren im Ausschuss für öffentliche Verantwortung mitarbeiten. Bereits auf der Synode war sie an den Beschlussvorlagen des Gremiums beteiligt. „Leider konnte man in den Plenumssitzungen nur ansatzweise mitbekommen, dass die Synode zwei Tage in den Ausschüssen intensiv auch inhaltlich an theologischen und gesellschaftlichen Fragen gearbeitet hat. Die Texte wurden im Plenum deshalb nur noch wenig diskutiert und rasch und oft einstimmig beschlossen. Da kann man von außen sicherlich den Eindruck bekommen, Synode sei ein sehr trockenes Geschäft“, sagte die Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Mitte mit Blick auf die Synode. „Aber es wurden wichtige Weichen gestellt, worüber wir mit Lust und Energie weiter nachdenken und wie wir weiter handeln wollen. Dass in der „Weite des Rheinlandes“ Engagement in der Flüchtlingspolitik, für konkreten Klimaschutz, für Partizipation und innovatives theologisches Denken konsensfähig sind, zeigt doch, dass wir eine zukunftsfähige Kirche sind. Dazu passt auch, dass die Kirchenleitung mit zwei nebenamtlichen Mitgliedern unter 30 deutlich jünger geworden ist. Und ich freue mich, dass mit Miriam Haseleu wieder eine Kölnerin in der Kirchenleitung vertreten ist.“
So verabschiedete die Synode Beschlüsse zu der Lage von Geflüchteten aus bosnischen und griechischen Lagern und forderte Hilfe für Schutzsuchende an EU-Außengrenzen und, dass diese sofort aufzunehmen seien. Weiter beschloss die Landessynode, Kirche auf dem Weg des gerechten Friedens zu sein und so ihrem biblischen Auftrag nachzukommen, für Gerechtigkeit einzutreten und Frieden zu stiften. Dieser friedensethische Beschluss ist das Ergebnis eines breit angelegten Diskussionsprozesses, ausgehend vom Friedenswort der Landessynode 2018. Außerdem wurde das Impulspapier „Partizipativ(e) Kirche werden“ verabschiedet. Darin sind Perspektiven der kirchlichen Zukunft skizziert. Ein zentraler Punkt ist dabei die Stärkung der partizipativen Prozesse in der rheinischen Kirche.
Die Synode legte weiter fest, dass die Evangelische Kirche im Rheinland sich vom Selbstverständnis als Volkskirche verabschieden und neu definieren soll. Das ist vor dem Hintergrund der in der Freiburger Studie 2019 prognostizierten Halbierung der Zahl der Kirchenmitglieder in den nächsten 40 Jahren ein zentrales Anliegen des Impulspapiers „Lobbyistin der GOTT-Offenheit“ des Ständigen Theologischen Ausschusses. Die rheinische Kirche nimmt sich auch beim Klimaschutz stärker selbst in die Pflicht. Die Landessynode beauftragte die Kirchenleitung, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die ein einheitliches Energiecontrolling und die Erstellung von Gebäude-Energieberichten mit bestimmten Mindesterfordernissen auf allen kirchlichen Ebenen gewährleistet.
Superintendent Bernhard Seiger stellte die Aufarbeitung der Software-Umstellung Wilken auf der Synode vor. Bei der Wahl künftiger Software sollen in der rheinischen Kirche auf allen Ebenen möglichst gemeinsame Standardlösungen zum Einsatz kommen, die sich in vergleichbaren Projekten bewährt haben. Das ist eine der Konsequenzen, die die Landessynode aus der Verteuerung und den Schwierigkeiten bei der Einführung der Finanzbuchhaltungssoftware in den zurückliegenden Jahren zieht. Am Freitagnachmittag beschloss das Leitungsgremium eine entsprechende Bitte in Richtung Kirchenleitung mit großer Mehrheit. Unerlässlich, so der Beschluss, seien genaue Zeitplanung, plausible Einführungsschritte und ausreichende Schulungszeiträume. Zudem hat die Landessynode beschlossen, dass künftig bei landeskirchenweiten Projekten und Software-Lösungen die Reihenfolge der Vorgaben für das Verwaltungshandeln geklärt werden muss. Die vorgeschlagenen Änderungen der Dienstordnung für das Landeskirchenamt sollen für agilere Arbeitsabläufe im Landeskirchenamt sorgen. Durch die Verschlankung der Dienstordnung und die Verringerung verbindlich vorgeschriebener Arbeitsabläufe sollen die anfallenden Aufgaben mit größerer Flexibilität erledigt werden können.
Weiter hat die Landessynode in den Jahren 2019 und 2020 nach intensiver Besoldungsdiskussion die Einführung der Bundesbesoldung und die Durchstufung von Pfarrerinnen und Pfarrern beschlossen. Ebenfalls wurde die gesetzesvertretende Verordnung zum Verfahrensgesetz beschlossen. Sowohl mit der ersten als auch mit der zweiten gesetzesvertretenden Verordnung zur Änderung des Verfahrensgesetzes wurden damit für die Leitungsgremien in der Evangelischen Kirche im Rheinland Möglichkeiten geschaffen, auch während der Ausbreitung des Coronavirus sowie der damit verbundenen staatlichen Einschränkungen der Versammlungsfreiheit die Arbeits- und Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. In Ausnahmefällen, in denen die Umstände eine Präsenzsitzung erheblich erschweren, wird zugunsten der Kreissynoden sowie der Landessynode eine Beschlussfassung im Wege des Umlaufverfahrens sowie die Abhaltung von Tagungen als Videokonferenz bzw. Hybridsitzung ermöglicht. Zudem wurde für alle Leitungsgremien für diese Ausnahmefälle die Möglichkeit geschaffen, erforderliche Wahlen als Brief- oder Onlinewahl durchzuführen.
Die Umlage für gemeinsame Aufgaben in der Evangelischen Kirche im Rheinland beträgt nach Festsetzung durch die Landessynode 2021 rund 60,32 Millionen. Das sind, wie jetzt im Finanzausgleichsgesetz geregelt, 21 Prozent des Netto-Kirchensteuer-Aufkommens. Der Pauschalbetrag zur Deckung der Pfarrbesoldungskosten für jede besetzte Pfarrstelle beträgt 127.730 Euro. Die Ausgleichsumlage zur Finanzierung des Finanzausgleichs innerhalb der Landeskirche wird insgesamt auf 84,09 Prozent festgesetzt. Die Landessynode der EKiR beschloss auch den Haushalt 2021 mit einem Gesamtvolumen von rund 532 Millionen Euro. Den Aufwendungen stehen Erträge von 524,5 Millionen Euro gegenüber. Die fehlenden Erträge in Höhe von rund 7,5 Millionen Euro werden freien Rücklagen entnommen. Die Landessynode stellt den Jahresabschluss 2019 mit einem Jahresergebnis von rund 11,63 Millionen Euro fest. Die Bilanzsumme beträgt 1,774 Milliarden Euro. Es gibt einen Bilanzgewinn in Höhe von rund 9,8 Millionen Euro, der in die freie Rücklage eingestellt wird. Die Prüfung des Jahresabschlusses durch das Rechnungsprüfungsamt der Rechnungsprüfungsstelle Düsseldorf ist noch nicht abgeschlossen. Die Landessynode kann daher die formale Entlastung noch nicht erteilen.
Die 74. Landessynode der EKiR war auch die letzte Tagung dieser Art für Manfred Rekowski. So stand am Synoden-Ende auch der Dank für seinen Dienst als Präses in der Kirche. Am 20. März 2021 scheidet der Wuppertaler aus dem Präses-Amt und tritt in den Ruhestand. Mehr als drei Jahrzehnte habe Rekowski der Landessynode angehört, erinnerte Vizepräses Christoph Pistorius zum Abschied: Als Abgeordneter, als Superintendent des Kirchenkreises Barmen und des fusionierten Kirchenkreises Wuppertal, aber auch als nebenamtliches und später hauptamtliches Kirchenleitungsmitglied, als Leiter der Personalabteilung – und seit 2013 schließlich als Präses. Die Landessynode habe in Rekowski „einen engagierten und leidenschaftlichen Theologen erlebt, für den die Relevanz von Theologie ein Lebensthema ist“, betonte Pistorius. Diakonisches, anwaltschaftliches Engagement habe Rekowskis Wirken geprägt, „insbesondere für Geflüchtete, aber auch in der Wahrnehmung von Verantwortung für die Schöpfung und Frieden sowie ein friedliches Miteinander der Religionen“.
Text: ekir/APK
Foto(s): ekir.de/APK
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