Zu Fuß zum Himmlischen Jerusalem – Der Altenberger Dom

Ein Besuch im bergischen Altenberg führt zu dem kleinen ökumenischen Bruder des Kölner Doms, den Märchen der Gebrüder Grimm und einem Bachtal, das schon die Pilger des Mittelalters angelockt hat.

Wer sich vom Reisegarten Eifgen im bergischen Wermelskirchen auf den Weg macht und dem Verlauf des Eifgenbachs folgt, hat es nur noch 15 Kilometer bis zum Himmlischen Jerusalem. Zwischen dem von Tourismusstrategen sprachlich aufgeplusterten Wanderparkplatz und dem Westfenster des Altenberger Doms, das der Zukunftsvision aus der biblischen Offenbarung des Johannes gewidmet ist, liegen vier Stunden in einem der schönsten Täler des Bergischen Landes. Wahrscheinlich ist eine bessere Annäherung an den kleinen gotischen Bruder des Kölner Doms nicht möglich.

Vier Stunden auf dem mit der Nr. 5 gekennzeichneten Eifgenbachweg, das bedeutet entspannendes Bachmurmeln, lauschige Rastplätze und Einkehrmöglichkeiten in den Ausflugslokalen Neuemühle und Rausmühle. Es bedeutet aber auch, auf den Spuren des bedeutendsten mittelalterlichen Pilgerweges zu wandeln. Eine der zahllosen europäischen Verästelungen des Jakobsweges nach Santiago de Compostela an der nordspanischen Atlantikküste führt durch das Eifgental. Als Markierung dient eine stilisierte Jakobsmuschel.

Mit dem Bergischen Wanderbus zurück zum Ausgangspunkt

Die Strecke lässt sich nun allerdings auch beliebig verkürzen. Wer beispielsweise erst am Thomashof in Burscheid einsteigt, hat die Wegstrecke nach Odenthal-Altenberg auf ein Viertel reduziert. Aber auch das gesamte Tal muss nicht schrecken: Denn zurück zum Ausgang bringt einen zumindest am Wochenende und an Feiertagen der Bergische Wanderbus.

Muss man sich einen Besuch des Altenberger Doms überhaupt erst so mühselig verdienen? Natürlich nicht. Eine Einstimmung auf die schlichte Lebensweise der Zisterzienser-Mönche, auf deren Klostergründung der Dom zurückgeht, mag der Fußmarsch sein. Aber Parkplätze rund um das bergische Wahrzeichen gibt es zur Genüge. Und Möglichkeiten, sich hier anders die Zeit zu vertreiben, auch.

Keine Türme, kein Bischof, kein Rhein

1259 legten Graf Adolf IV. von Berg und der Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden den Grundstein für den Altenberger Dom. Er ist damit elf Jahre jünger als der 30 Kilometer entfernte Kölner Dom auf der anderen Rheinseite. Und auch sonst ist das gotische Bauwerk in jeder Hinsicht der kleinere Bruder von Deutschlands größter Tourismusattraktion. Die strengen Bauvorschriften der Zisterzienser versagten ihm prachtvolle Türme und ließen nur einen Dachreiter zu. In seinen Mauern war nie ein Bischof zu Hause. Und zu seinen Füßen fließt nicht der mächtige Rhein, sondern nur die kleine Dhünn, mit der sich der Eifgenbach wenige Hundert Meter zuvor vereint hat.

Altenberg lädt zu Spaziergängen und ausgiebigen Wanderungen ein

Muss man noch erwähnen, dass der Altenberger Dom selbstredend nicht in den Genuss der dauerhaften Pflege durch eine Dombauhütte kommt, wie sie in Köln eine Selbstverständlichkeit ist? Seine jüngste, zwölf Jahre andauernde Renovierung wurde 2006 abgeschlossen. 20 Millionen Euro war sie dem Land Nordrhein-Westfalen wert. Das muss reichen für diese Generation.

Eine von 64 deutschen Simultankirchen

Dafür hat der Altenberger Dom eine Besonderheit, die im heiligen Köln undenkbar wäre. Eine eher unscheinbare Bronzeplastik des Bergisch Gladbacher Künstlers Werner Franzen weist im Inneren nahe dem Kanzelkorb darauf hin. Sie zeigt den dornengekrönten Jesus, wie er sich trotz ans Kreuz genagelter Füße schwebend leicht vom Kreuz herabbeugt. Seine rechte Hand fasst die Schulter des Zisterzienser-Abts Bernhard von Clairvaux, die linke berührt sacht den Wegbereiter der Reformation, Martin Luther.

Seit 1857 nämlich zählt der Altenberger Dom zu den heute 64 deutschen Simultankirchen – ähnlich dem Wetzlarer Dom, der bis heute ältesten Simultankirche der Evangelischen Kirche im Rheinland. In Altenberg ist dieser Umstand dem preußischen Königshaus zu verdanken. Schon Friedrich Wilhelm III. ließ sich von der Idee anstecken, den Wiederaufbau nach der Säkularisation und dem verheerenden Brand von 1815 zum Großteil zu finanzieren. Sein Sohn Friedrich Wilhelm IV., auch Wegbereiter der Fertigstellung des Kölner Doms, goss die Bedingung dafür dann in eine Kabinettsordre, die den völligen Simultangebrauch der Kirche durch Evangelische und Katholische anordnete.

Den Evangelischen steht der Dom täglich vier Stunden zur Verfügung

Seither verfügt die Evangelische Domgemeinde Altenberg offiziell über täglich vier Stunden (8 bis 10 Uhr und 13.30 bis 15.30 Uhr). Den restlichen Tag ist der Dom der Katholischen Pfarrgemeinde zur Nutzung überlassen. Eigentümer wiederum sind beide Gemeinden nicht, sondern in der Rechtsnachfolge des preußischen Staats das Land Nordrhein-Westfalen, das allerdings keinerlei Nutzungsrechte besitzt.

2007 blickten die Protestanten mit großem Aufwand auf 150 Jahre evangelische Gottesdienste in Altenberg zurück. Auf dem Zeitstrahl der Domgeschichte macht das zwar gerade erst ein Fünftel aus, aber den Teil, der den ökumenischen Ruf Altenbergs über die Region hinaus bis heute prägt. Gerade erst haben evangelische und katholische Theologinnen und Theologen in einer „Altenberger Erklärung“ an Papst Franziskus appelliert, die Bannbulle von Papst Leo X. gegen Martin Luther von 1521 außer Kraft zu setzen. Zugleich solle der Lutherische Weltbund Luthers Verdikt gegen den Papst als „Antichrist“ zurücknehmen.

Ein Original am Kiosk-Tresen zwischen Froschteich und Froschkönig

Viel Geschichte, viel Natur – und auch Hunger und Durst muss man auf dem Streifzug durch Altenberg nicht leiden: Vom Hotel Wißkirchen über den Altenberger Hof bis zum Küchenhof gibt es genügend gastronomische Betriebe. Oder man wählt die rustikale Variante: Der Kiosk am großen Märchenwaldparkplatz ist nicht nur ein beliebter Biker-Treffpunkt. Hinter dem Tresen kann man oft auch ein Original erleben: Manfred Zenses hat 39 Jahre lang das Jugendzentrum der Nachbarstadt Burscheid geleitet. Dann war er ein Jahr lang Rentner. Das hat ihm gereicht. Seit vier Jahren hat er den Kiosk mit seiner Frau Ute gepachtet – und wer bei ihm ein politisches Stichwort fallen lässt, wird hier nicht so schnell wieder wegkommen.

Das Märchenhaus „Schneewittchen“ im Altenberger Märchenwald

Auf dem Weg vom Dom zum Kiosk lädt auch ein Teich mit meist beeindruckendem Froschkonzert zum Verweilen ein. Den passenden Froschkönig gibt es dann ein Stück oberhalb des üppig bemessenen Parkplatzes. Der Märchenwald Altenberg ist seit 1931 ein beliebtes Ausflugsziel für Familien. Auf einem kinderwagenfreundlichen Rundgang am Hang widmen sich derzeit 18 Märchenhäuser den Geschichten der Gebrüder Grimm: vom Rumpelstilzchen über Frau Holle bis zu Schneewittchen und den sieben Geißlein. Und auf entsprechenden Zuruf lässt auch Rapunzel ihr Haar herunter.

Größtes gotisches Kirchenfenster nördlich der Alpen

Wenn der Tag sich dann neigt und die Sonne gen Westen wandert, sollte man vor dem Abschied aber noch einmal den Dom aufsuchen. Das Himmlische Jerusalem leuchtet dann in seiner ganzen Pracht – der einzigen, die sich die Zisterzienser einst gegönnt haben. Entstanden ist das größte gotische Kirchenfenster nördlich der Alpen, inzwischen aufwendig restauriert und mit einer Schutzverglasung versehen.

Draußen vor der Tür fragt man sich dann vielleicht schon für einen Moment, was die Grafen von Berg, die dem Bergischen Land seinen Namen gaben, eigentlich 1133 bewogen haben mag, ihren ersten Stammsitz an diesem Fleckchen Erde aufzugeben und ihn einigen Zisterzienser-Mönchen zu überlassen. Die Mönche gründeten zunächst in der alten Burg ihr Kloster, ehe sie es schon nach kurzer Zeit ein paar Hundert Meter weiter an die Dhünn verlegten.

Das Westfenster gilt als das größte gotische Kirchenfenster nördlich der Alpen

Das Geld kam vom bergischen Adelsgeschlecht

Dort fasste sich der Orden bereits ein Jahrhundert später wieder ein Herz, um die alte Abteikirche durch eine neue zu ersetzen. Bis auch das Himmlische Jerusalem leuchten konnte, dauerte es aber noch einmal anderthalb Jahrhunderte. Das Geld für die kunstvolle Bleiverglasung stammte übrigens vom ersten Herzogspaar von Berg. So ganz wollte das alte bergische Adelsgeschlecht dann doch nie lassen von seinem Ursprungsort.

INFO

Unmittelbar an den Altenberger Dom grenzt der Altenberger Dom-Laden an. Die christliche Buchhandlung bietet nicht nur alles Wissens- und Lesenswerte über Altenberg. Dort liegt für Besucherinnen und Besucher, die sich von unserer Serie „Himmlische Ferien“ zu einem Ausflug ins Bergische inspirieren ließen, auch ein kostenloses Lesezeichen der Evangelischen Kirche im Rheinland aus. Von dem Buchladen gibt es auch einen direkten Zugang zu Haus Altenberg, der Jugendbildungsstätte im Erzbistum Köln.

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Die rheinische Kirche hat auf der Website www.ekir.de/himmlischeferien und in den sozialen Netzwerken eine Reihe von Ausflugstipps gestartet. Die Serie führt kreuz und quer durchs Kirchengebiet und ist eine Fundgrube für alle, deren Sommerurlaub in Pandemie-Zeiten anders verläuft als geplant.

>> Zur Website „Himmlische Ferien“

Von der kleinsten Kapelle am Niederrhein, die maximal zwei Personen gleichzeitig Platz für ein Gebet bietet, geht es in den Weltgarten und nach Eden auf der nordrhein-westfälischen Landesgartenschau, wo ein Apfelbaum zum Mittler zwischen Himmel und Erde wird. Im Neandertal bei Düsseldorf stimmen Spaziergänger ein Loblied auf das Wunder der Menschheitsgeschichte an, auf dem oberbergischen Lutherweg meditieren sie mit jedem tiefen Atemzug Gedanken des Reformators und Zitate der Bibel. An der deutsch-französischen Grenze gilt es, das evangelische Saarbrücken mit Hilfe von Geodaten zu entdecken. All das ist erst der Anfang: Die Serie „Himmlische Ferien“ wächst mit den Ferienwochen, Tipp um Tipp kommt hinzu.

Text: Ekkehard Rüger
Foto(s): Ekkehard Rüger

Der Beitrag Zu Fuß zum Himmlischen Jerusalem – Der Altenberger Dom erschien zuerst auf Evangelischer Kirchenverband Köln und Region.