Innehalten, Aushalten, Durchhalten – Ökumenischer Gedenkgottesdienst in Blessem zum Jahrestag der Flutkatastrophe
Die Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 wird wohl niemand in Erftstadt je vergessen. Warum es wichtig ist, der Erinnerung Raum und einen Rahmen zu geben, war beim ökumenischen Gedenkgottesdienst in der Kirche St. Michael in Erftstadt-Blessem, der musikalisch vom Chor „Neue Wege“ aus dem Seelsorgebereich Rotbach-Erftaue gestaltet wurde, deutlich zu spüren. In seiner Begrüßung erinnerte Pfarrer Livic Balascuti nicht nur an die 180 Todesopfer und alle Betroffenen, von denen viele noch immer mit den Folgen kämpfen, sondern dankte auch den zahllosen Helferinnen und Helfern. Von diesem Gedenktag solle ein „Signal der Hoffnung“ ausgehen. Man wolle „mit positivem Blick und Energie in die Zukunft sehen“.
Familie und Freunde helfen durchzuhalten
Anschließend kamen stellvertretend drei Betroffene zu Wort: Eine Frau berichtete, dass Familie und Freunde ihr geholfen hätten durchzuhalten. Nachbarn und Freunde waren da und packten an. Kraft gegeben hätten ihr der Satz „Ich kann nie tiefer fallen als in Gottes Hand“, aber auch das Lied „Hey“ von Andreas Bourani. Eine weitere Frau, in der ehrenamtlichen Hochwasserhilfe tätig, stellte fest, dass Frauen oft der erste Anlaufpunkt seien und bei ihnen ein großer Teil der emotionalen und organisatorischen Last zusammenlaufe. Kraft und Zuversicht der Menschen seien bewundernswert. Eine Mitarbeiterin des Caritas-Verbandes erklärte, dieses Leid sei nicht tröstbar. Das Ziel müsse sein, gemeinsam deutlich zu machen, dass niemand alleine bleibt. Sie äußerte ihre Sorge um die Kinder, die mit den traumatischen Erlebnissen der Flutnacht zurechtkommen müssten. Umso wichtiger sei es, eine Sprache für die seelischen Vorgänge zu finden.
Ängste und Nöte vor Gott bringen
Nach diesen sehr persönlichen Erfahrungsberichten hatten die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher die Gelegenheit, beim stillen Aufstellen einer Kerze das vor Gott zu bringen, was sie bewegt.
Wenn die eigenen Worte nicht reichten, haben seit Jahrhunderten die Psalmen Menschen geholfen, ihre Not und Verzweiflung vor Gott zu bringen. Wie anders klang es angesichts zerstörter Häuser, Betriebe und Infrastruktur, wenn im Lesungstext aus Psalm 71 von Gott als einer „festen Burg“ die Rede war!
Viele Fragen sind noch offen
In ihrer kurzen Ansprache beschrieb Pfarrerin Andrea Döhrer, wie nun ihr Blick auf die Erft ein anderer sei und dass jeder Hubschrauber, jedes Feuerwehrfahrzeug ungute Gefühle in ihr auslöse. Doch neben der kollektiven Verunsicherung sei da „viel Hoffnung im Raum“. Döhrer betonte, dass die Betroffenen auch der Wut Raum geben dürften, vor allem angesichts eines erneuten Starkregenereignisses am 24. Juni dieses Jahres, das wieder Schäden verursachte und gerade Aufgebautes wieder zunichtemachte. Sind die Kanäle gereinigt und überprüft worden? Warum ist noch immer nicht in bessere Warnsysteme investiert worden? Fragen, auf die die Antworten ausstünden. Und so schwankt ein Jahr nach der Katastrophe die Gemütslage der Betroffenen „zwischen Resignation und Dankbarkeit“, Resignation wegen all der noch offenen Fragen und dem, was noch an Wiederaufbau zu leisten ist, und Dankbarkeit über die Helferinnen und Helfer sowie das, was schon geschafft ist. Was in dieser Situation Halt gebe, sei Gottes Zusage: „Du bist nicht allein!“
Nach dem Gottesdienst standen vor der Kirche kühle Getränke und Knabbereien bereit. Zum Austausch waren besonders alle eingeladen, die mit ihren Gedanken und Gefühlen nach dem Gottesdienst nicht alleine bleiben wollten.
Info
Mobile Hochwasserhilfe
Andrea Schnackertz
Telefon 0163 711 75 93
andrea.schnackertz@diakonie-koeln.de
Text: Priska Mielke
Foto(s): Priska Mielke
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