Klares Bekenntnis gegen Antisemitismus – Nachrichten von der Frühjahrs-Synode des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch
„Die Seelsorge ist die Muttersprache der Kirche.“ Mit einem schlichten aber kraftvollen Satz beschrieb Krankenhausseelsorger Volkher Preis während der Andacht vor der Frühjahrssynode 2021 des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch die Basis seiner Arbeit. Preis und seine Kollegin Dr. Birgit Ventur hatten die Hiob-Geschichte als Thema gewählt. Ventur erzählte von einer Begebenheit im Krankenhaus: „Auf der Station lag ein alter Mann, in sich zusammengefallen, kraftlos und elend. Dieser Mann passte so gar nicht zu dem Bild, das sein Sohn zeichnete, als mich um Besuch bei seinem Vater bat. Er hatte ihn als kraftstrotzend, voller Tatkraft und sehr gläubig beschrieben. Dann kann man als Seelsorgerin nur da sein. Ein „Das wird schon wieder“ ist dann völlig fehl am Platz. Ich will glauben, dass ein „Vater unser“ dem Patienten Kraft gibt. Und man muss das Ausweglose aushalten.“ Die Freunde Hiobs antworteten auf dessen Klagen mit Ratschlägen, weil sie die Situation nicht aushielten. „Hiobs Herz erreicht das nicht. Hilfreich ist, was von Hiob selbst kommt: „Ich weiß, dass mein Tröster lebt.“ Damit verlässt Hiob die Sphäre von Sinnsuche und Erklärungen. Er hält sich fest daran, dass sein Schöpfer und sein Erlöser da sein und ihn am Ende sehen wird. Das gibt Hiob in seinem Unglück Halt. Manchmal ist das alles, was man als Krankenhausseelsorger tun kann. Das persönliche Zusammensein spiegelt die Nähe Gottes. „Dann trage ich das kleine Holzkreuz, das mich hält“. In Christus liegt der Glaube, dass wir durch seine Wiederauferstehung mit ihm leben werden. Ich glaube, dass Gott uns in schweren Situationen so viel Kraft gibt, wie wir brauchen.“
Wir dürfen uns nicht nur in Strukturfragen erschöpfen – Tatjana Laubach folgt auf Bernd Baucks
120 Synodale und Gäste begrüßte Superintendentin Andrea Vogel nach der Andacht zur Online-Synode. Erstmals dabei war Tatjana Laubach aus der Leitung der Evangelischen Kirche im Rheinland. Sie ist die Nachfolgerin von Bernd Baucks als Begleiterin der Synode und bedauerte, dass es zumindest bei dieser Synode nicht möglich sei, die Synodalen persönlich kennen zu lernen. Aber die sinkenden Pandemie-Zahlen machten Mut, auf Präsenzveranstaltungen in naher Zukunft hoffen zu können. Die Vertreterin der Landeskirche wies darauf hin, dass digitale Gottesdienstformate auch nach der Pandemie bestehen bleiben könnten. „Die Kirche muss Hoffnungsträgerin sein. Und manchmal muss sie einfach nur da sein.“ Die Pandemie habe Auswirkungen, die man vielleicht erst auf den zweiten Blick wahrnehme. „Die Zahl der Taufen ist im vergangenen Jahr um 50 Prozent gesunken. Wie viele nachgeholt werden, ist noch nicht klar“, sagte Laubach. Sie warb dafür, Initiativen zur Mitgliederwerbung und -bindung zu stärken. Partizipation sei wichtig. „Wir wollen Impulsgeber für positive Begegnungen sein.“ Und: „Wir dürfen uns nicht nur in Strukturfragen erschöpfen. Halten wir uns viel mehr an das, was uns geistlich Hoffnung gibt.“
Bekenntnis zur unveräußerlichen Würde des Menschen
Hauptthema der Synode war der „Antisemitismus“. Bei ihrer Herbsttagung 2019 hatte die Kreissynode den Beschluss gefasst, sich gegen Antisemitismus, Intoleranz und Hass in unserem Land zu stellen. In dem Wortlaut des Beschlusses heißt es: „Wir bekennen uns zur unveräußerlichen Würde des Menschen, zu Toleranz, Achtsamkeit und einem kritischen Dialog mit allen Menschen, egal woher sie kommen oder welche Religion sie im Herzen tragen.“ Synodalassessor Torsten Krall führte in das Thema ein. „Antisemitismus ist gerade wieder sehr aktuell. Er ist auch unser Thema als Kirche. Antisemitismus gehört zu unserer Geschichte.“ Pfarrer Dirk Vanhauer fuhr fort: „Mich macht es zornig, dass Menschen Anschläge auf Synagogen verüben und Hetze im Netz verbreiten. Antisemitismus ist eine Denkbewegung, an der die Kirche in ihrer Geschichte einen großen Anteil hat.“ „Sie sollen mein Volk sein, ich will ihr Gott sein. Ich will einen ewigen Bund eingehen mit ihnen“, zitierte er aus dem Buch Jeremia in Kapitel 32. Es sei ein gutes Ergebnis dieser Stunde, die die Synode dem Thema widmete, wenn danach alle sensibilisiert wären für die Begegnung mit dem Judentum und die Überwindung der Fremdheit gegenüber dem Judentum.
Dr. Rainer Lemaire referierte im Anschluss zum Thema Antisemitismus. Zunächst definierte er den Begriff: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“ Für die Entstehung der abendländischen Judenfeindschaft habe der konflikthafte Ablösungsprozess der frühen Christen vom Judentum eine zentrale Bedeutung. Aus innerjüdischen Diskussionen innerhalb des Neuen Testaments sei Distanz, Trennung und Feindschaft dem Judentum gegenüber geworden. Stereotype wie Dämonisierung, Blutlegenden und Wucherjuden seien bis heute wirksam, so Lemaire. Als Beispiel nannte er mittelalterliche Darstellungen an verschiedenen Kirchenportalen. „Die Kirche ist das neue Gottesvolk und schaut auf das verworfene Gottesvolk, das Judentum herab. Die Kirche steht für den richtigen Weg, die Synagoge für den falschen.“ Aufgrund neuer biblischer und theologischer Einsichten (Synodalbeschluss der EKiR 1980) und aufgrund der Tatsache, dass Jesus zeitlebens als jüdischer Mensch gelebt und geglaubt hat, ist es unsere Aufgabe, das Verhältnis zum Judentum neu und positiv zu bestimmen. Nicht alleine mit Erklärungen, sondern konkret in der praktischen Arbeit in Gemeinde und Schule.
Nach der Einführung in das Thema trafen sich die Synodalen in digitalen Kleingruppen. Angeboten wurden: „Impulse für neue Perspektiven aus der jüdischen Theologie für die christliche Liturgie“ unter der Leitung von Michael Kaiser. „Das Alte Testament lesen unter Berücksichtigung des Verhältnisses zum Judentum“ unter der Leitung von Dr. Rainer Lemaire. „Landnahme, Landbesitz und politisch-theologische Selbstkritik in der Hebräischen Bibel“ unter der Leitung von Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel. „Die Psalmen: Christlich-jüdische Gemeinsamkeiten und Unterschiede“ unter der Leitung von Martin Deeters. „Israel und Kirche bei Paulus – ein Blick auf Römer 9-11“ unter der Leitung von Pfarrer Dirk Vanhauer. Im Anschluss waren sich die Synodalen einig, dass sie sich gerne noch mehr Zeit für den Austausch genommen hätten. Alle Referenten haben daher angeboten, die Themen in Videokonferenzen in der nächsten Zeit gemeinsam mit Interessierten weiter zu vertiefen.
Leitung des Kirchenkreises bleibt Nebenamt
Mitte 2022 wird Superintendentin Andrea Vogel in den Ruhestand gehen. Die Neubesetzung der Leitung des Kirchenkreises obliegt der Frühjahrssynode im kommenden Jahr. Die Synode hatte auf ihrer Sitzung am Freitagabend zu entscheiden, ob der Nachfolger, beziehungsweise die Nachfolgerin ein Superintendent oder eine Superintendentin im Haupt- oder Nebenamt sein solle. Als Gäste und Experten nahmen zwei Superintendenten an der digitalen Synode teil. Rolf Stahl, ist seit 2010 nebenamtlicher Superintendent im Kirchenkreis Koblenz und Gemeindepfarrer. „Kirchliches Leitungsamt braucht Bodenhaftung. In der Gemeinde erhole ich mich vom Kirchenkreis, im Kirchenkreis von der Gemeinde“, sagte er. Stahl wird durch eine Kollegin mit einem Stellenumfang von 75 Prozent entlastet. Eine Entlastungspfarrstelle anzutreten, könne attraktiv sein, wenn jemand beispielsweise wissenschaftlich engagiert sei oder sich um eine Familie kümmern wolle.
Bernd-Ekkehart Scholten ist seit fünf Monaten hauptamtlicher Superintendent im Kirchenkreis Leverkusen. Vorher war er 25 Jahre Gemeindepfarrer und sieben Jahre Assessor im Kreissynodalverstand. Er warb für das Hauptamt. „Abgehoben sein, ist keine Frage der Strukturen, sondern der Persönlichkeit. Ich beerdige weiter und feiere auch Gottesdienste“, berichtete er. Auf das Hauptamt können sich auch Kandidatinnen und Kandidaten bewerben, die nicht im Kirchenkreis arbeiten. „Oft hat man ja eine gemeinsame Geschichte mit den Leuten im Kirchenkreis. Dann ist es manchmal gut, wenn jemand von außen gewählt wird.“ Ein Drittel aller rheinischen Kirchenkreise hat einen Superintendenten oder eine Superintendentin im Hauptamt. Der Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch auf absehbare Zeit nicht: Nach einem intensiven Austausch entschieden 70 Prozent der Synodalen dafür, die Kirchenkreisleitung weiter in nebenamtliche Hände zu legen.
Antrag an Landessynode über vereinfachte Taufe
Eine von den vier Kölner Kirchenkreisen gebildete AG Taufe möchte eine Änderung des Lebensordnungsgesetzes durch die Landessynode im kommenden Jahr erreichen. Ziel ist es, das Taufangebot für Kinder, deren Eltern nicht Mitglieder der evangelischen Kirche sind, zu erleichtern und zu vereinfachen. Ein entsprechender Antrag wurde und wird allen Kreissynoden vorgelegt. Nach einer lebhaften Debatte entschieden die rechtsrheinischen Synodalen, den Antrag an die Landessynode über eine vereinfachte Taufe zur Kenntnis zu nehmen. Er soll zunächst in den Gemeinden diskutiert werden. Auf der Herbstsynode des Kirchenkreises soll dann der den Antrag an die Landessynode beraten und abgestimmt werden.
Weitere Beschlüsse
Rainer Gutmann aus der Kirchengemeinde Mülheim am Rhein und Claudia Heidkamp aus der Kirchengemeinde Bensberg wurden von der Synode als Stellvertreter der nichttheologischen Abgeordneten zur Landessynode gewählt. Es wurden auch einige Synodalbeauftragungen neu vergeben und Ausschüsse erweitert. Pfarrer Sebastian Baer-Henney ist Synodalbeauftragter für Gemeindeentwicklung und missionarische Dienste, Dr. Bernhard Hausberg gehört in Zukunft dem Finanzausschuss an, Bernd Flamming wurde als Vertreter des Kreissynodalvorstands in den Nominierungsausschuss berufen und Pfarrerin Kerstin Herrenbrück ist ab sofort Mitglied im Fachausschuss Mission und Ökumene. Außerdem beriet die Synode über Möglichkeiten neuer kirchlicher Strukturen in Köln und Region und beschloss, dass ergebnisoffene Gespräche unter bestimmten Voraussetzungen geführt werden. Darüber hinaus wurde ein kurzfristig eingebrachter Antrag für globale Impfgerechtigkeit beraten und beschlossen.
Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch
Dieser Kirchenkreis bildet mit 18 Kirchengemeinden im rechtsrheinischen Köln, in Altenberg, Bergisch Gladbach, Kürten, Lindlar und Rösrath den größten Zusammenschluss innerhalb des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. In seinen Gemeinden leben rund 90.000 Mitglieder, deren Interessen im „Parlament“ des Kirchenkreises, der Kreissynode, von 118 Synodalen vertreten werden.
Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann
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