„Macht das Ziel nicht zu klein“: Gottesdienst mit FC-Fans mit Stadtsuperintendent Bernhard Seiger
Wenn es einen Fußballgott gibt, dann ist er kein Schalker. Jedenfalls nicht am ersten Spieltag der Bundesliga am vergangenen Wochenende. Drei klare Fehlentscheidungen trafen der berühmte Kölner Keller und Schiedsrichter Robert Schröder und ebneten damit den Kickern vom 1. Fußball-Clubs Köln den Weg auf die Siegesstraße.
Von all diesen Aufregungen ahnten die vielen tausend Fans natürlich nichts, die vor dem Saison-Auftakt-Gottesdienst bei bestem Fußballwetter vor dem Dom standen und auf Einlass warteten. Die Schlange reichte über die Domplatte und den Wallrafplatz bis zum Museum für Angewandte Kunst. Und auf der Burgmauer standen ebenfalls Hunderte. Da dauerte es natürlich, bis alle im Dom einen Platz gefunden hatten.
Anpriff zum Gottesdienst
„Kann sein, dass sich der Anpfiff zum Gottesdienst ein bisschen verzögert“, verkündete Stadtdechant Robert Kleine am Mikrofon unter dem Gelächter derer, die bereits auf den Kirchbänken saßen. Am Ende waren auch die Stehplätze gut gefüllt. Kleine und Stadtsuperintendent Bernhard Seiger leiteten den Gottesdienst. Der Stadtdechant begrüßte als erstes natürlich die FC-Fans, fragte aber kurz danach: „Sind auch Schalker hier?“ Die Wenigen, die in blau-weißer Ausstattung erschienen waren, antworteten mit einem spontanen „Glück auf!“ Hat nichts genutzt, wie sie später erleben sollten.
Gelesen wurde aus dem Markus-Evangelium 9,35. Darin geht es um den Rangstreit der Jünger. Jesus schlichtet den Streit mit einem „Machtwort“: „Und er setzte sich und rief die Zwölf und sprach zu ihnen: Wenn jemand will der Erste sein, der soll der Letzte sein von allen und aller Diener.“ Seiger sprach von Spannung und Vorfreude, die zum Start der neuen Saison herrschten. „Die Mannschaften wollen möglichst gut sein und Spiele gewinnen. Sie wollen Tore erzielen und Punkte holen, besser als der Gegner sein.“
Wie passt das zusammen mit „Wenn jemand will der Erste sein, der soll der Letzte sein von allen und aller Diener“? Konkurrenz sei gut, denn sie sorge bisweilen dafür, dass Menschen über sich hinaus wüchsen, sagte der Stadtsuperintendent. „Dann können unerwartete Dingen geschehen und man kann sogar übermächtige Gegner besiegen.“
Frauen-Europameisterschaft „war richtig spannend“
Aber dabei gehe es nie um den Einzelnen, sondern immer um das Kollektiv. Das habe man bei der Frauen-Europameisterschaft gesehen. „Das Turnier war richtig spannend und wir haben tollen Fußball gesehen.“ Seiger fand die Aussage der Bundestrainerin nach dem Turnier gelungen. Martina Voss-Tecklenburg rief nach dem verlorenen Finale beim Empfang auf dem Balkon des Frankfurter Römers: „Lebt die Werte, die wir bei diesem Turnier vorgelebt haben.“ Es komme darauf an, zu erkennen, was die anderen stark mache, interpretierte Seiger die Diener-Funktion in einer Fußball-Mannschaft. „Was kann ich zum Gelingen des Ganzen beitragen?“
Für Christen sei das Ziel das Reich Gottes. „Macht das Ziel nicht zu klein“, schlug Seiger einen Bogen zur Religion: „Wer diesem großen Ziel dient, ist groß.“ Und zurück zum Fußball: „Es ist ein Spiel, und es ist ein Segen, wenn wir daran Freude haben können.“
Kleine attestierte dem Fußball eine bedeutsame gesellschaftliche Funktion. Die gesamte Fan-Gemeinde diskutiere in der Woche nach dem Spiel über den Ausgang. Und dann stehe ja schon wieder das nächste Spiel an. Fußball stehe explizit gegen Ausgrenzung. Früher am Stammtisch habe man gewusst, wer für seine Meinung gestanden habe. Das sei in den „asozialen Medien“, so Kleine, heute nicht mehr so. Der Stadtdechant lobte die FC-Stiftung, die es drei ukrainischen Jugendfußball-Teams ermöglicht habe, in Köln zu trainieren.
Kleine plädierte dafür, nicht nur russische Vereine, sondern auch belarussische Klubs von internationalen Wettbewerben auszuschließen. „Wir müssen als Staatengemeinschaft allen Kriegstreibern die Rote Karte zeigen.“ Dann intonierte Wolf-Rüdiger Spieler auf der Orgel die FC-Hymne, die Fans wedelten mit den Schals und sangen lauthals mit. Und als im Anschluss der bekannte Schlachtruf „Erster Fußball-Club Köln“ durch die Kathedrale hallte, war man für den Saisonstart gerüstet. Und der Fußballgott war zumindest für diesen Spieltag nachhaltig von den Kölnern beeindruckt. Wenn es ihn gibt.
Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann
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