Seit fünf Jahren ohne Unterbrechung: Gottesdienst-Streaming in Köln-Flittard/Stammheim

Auf den Tag genau seit fünf Jahren streamt ein Team rund um Pfarrer Thomas Fresia in der Evangelischen Brückenschlag-Gemeinde Köln-Flittard/Stammheim aus dem Gottesdienst: „Am 14. März 2020 haben wir beim Gemeindebrunch vom Erlass der Stadt Köln erfahren, dass ab dem folgenden Tag keine öffentlichen Versammlungen mehr gestattet wären – der Beginn des ersten Corona-Lockdowns. Wir haben umgehend nach dem Abwaschen einen YouTube-Kanal eingerichtet und fürs Live-Streaming freigeschaltet und mit einem iPhone, einem iPad und der Hausanlage am 15. März 2020 den ersten Gottesdienst aus der Immanuel-Kirche gebroadcastet“, blickt Pfarrer Thomas Fresia zurück. „Seitdem haben wir tatsächlich ohne Unterbrechung jede (!) Woche aus Stammheim den Gottesdienst gestreamt.“

Ein Foto aus der Anfangszeit des Streamings.
Ein Foto aus der Anfangszeit des Streamings.

Mittlerweile wird hybrid gestreamt. Wie setzen Sie dies technisch um?

Thomas Fresia: Mit inzwischen zwei fest installierten PTZ-Cams und einem kleinen Studio mit MacMini und Broadcasting-Software. Ein insgesamt siebenköpfiges Technik-Team sorgt für die reibungslose Übertragung Sonntag für Sonntag. In der Regel ist die Schicht von zwei Personen besetzt, von denen eine die Kameraführung übernimmt, der andere die Software steuert.

Wie hat sich das Technik-Team im Laufe der Jahre weiterentwickelt?

Thomas Fresia: Was mich als „Initiator“ beeindruckt ist, wie selbstständig und diszipliniert das Technik-Team jede Woche für die reibungslose Übertragung sorgt. Die sechs ehrenamtlich Mitarbeitenden haben sich eine Menge Wissen in Bildregie und Kameraführung angeeignet und sich mit der Streaming-Software vertraut gemacht. Dass das bis heute wirklich unterbrechungsfrei geklappt hat, finde ich schon bemerkenswert.

Was war die größte Herausforderung bei der Einrichtung des Live-Streamings?

Thomas Fresia: Das war wohl gleich ein Strauß an Herausforderungen – die größte war es vermutlich, sich von heute auf morgen technisch und auch inhaltlich auf ein neues und für uns bis dahin gänzlich unbekanntes Format einzustellen. Was braucht es eigentlich, um einen Stream zu veröffentlichen? Wie können wir einen für die Präsenzgemeinde bereits vorbereiteten Gottesdienst so umschreiben, dass er auch über YouTube „wirkt“? Was machen wir mit der Musik? In alledem stellt sich auch immer die Frage: „Was ist gerade von den rechtlichen Rahmenbedingungen her erlaubt?“ In der Corona-Zeit zum Beispiel die Mitwirkung nur weniger Menschen aufgrund des Versammlungsverbots…

Gab es einen Moment, in dem Sie dachten, dass der Stream heute nicht funktionieren wird – und wie haben Sie das Problem letztendlich gelöst?

Thomas Fresia: Am Anfang haben wir grundsätzlich alle Streams zeitgleich lokal gespeichert – sollte ein Stream mal ausgefallen sein, hatten wir so immer die Möglichkeit, im Nachhinein ein Backup einzuspielen. Heute fahren wir mehr „auf Risiko“, weil sich das System als ausgesprochen zuverlässig erwiesen hat.

Wie hat sich die digitale Übertragung des Gottesdienstes auf die Gemeinde ausgewirkt? Haben Sie Rückmeldungen erhalten, die Sie besonders bewegt haben?

Thomas Fresia: Ausgesprochen positiv: Wir haben den Kontakt zu Menschen auch über den Lockdown hinaus aufrechterhalten. Und manche Kontakte früherer Gemeindeglieder, die inzwischen verzogen sind, teils ins Ausland, wieder gewinnen können. Ebenso habe ich erst kürzlich wieder von einer Zuschauerin erfahren, die beim „Stöbern“ im ersten Lockdown bei uns hängen geblieben ist und seitdem jede Woche die Gottesdienste mit uns von zu Hause aus feiert.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass wir einige Menschen aus der Präsenzgemeinde „verloren“ haben – die finden es eigentlich ganz gemütlich, von zu Hause aus am Frühstückstisch dabei zu sein oder erstmal den Sonntagsausflug zu machen und abends dann den Gottesdienst anzuschauen. Verbunden sind diese Menschen aber nach wie vor mit unserer Gemeinde, das ist gut. Nur sehen wir sie leider nicht mehr so oft am Sonntagmorgen in der Kirche.

Was waren die außergewöhnlichsten Situationen während eines Livestreams?

Thomas Fresia: Aus den Anfängen des Streamings – da waren oft meine Frau (Kollegin) und ich allein in der Kirche, vielleicht noch mit einem Organisten – kam mitten in die Übertragung eine Presbyterin in die Kirche gerannt mit einer Pappe, auf der handgeschrieben stand: „Man hört euch nicht!“. Da haben wir wohl schlichtweg vergessen, den Mikrofonkanal aufzumachen und konnten den Fehler schnell beheben. Dass sich die Frau von zu Hause aus dafür extra auf den Weg macht, um zu uns in die Kirche zu fahren, fand ich irgendwie sehr anrührend. Einer der eindrücklichsten Momente, das war sicherlich der Heiligabendgottesdienst 2020, den meine Frau und ich aus der leeren Kirche gestreamt haben. Im Vorfeld hatten wir unsere Gemeindeglieder dazu aufgerufen, uns „O du fröhliche“ zu Hause aufzunehmen. Nachdem ich die rund 100 Beiträge gesammelt und abgemischt hatte, haben wir den Choral dann am Ende des Gottesdienstes abgespielt. In der leeren Kirche die vielen vertrauten Stimmen der Gemeindeglieder zu hören, hat mir gleichzeitig Tragik und Glück vor Augen geführt.

Welche Vision haben Sie für die Zukunft der Online-Gottesdienste – wird Streaming langfristig eine feste Säule kirchlicher Arbeit bleiben?

Thomas Fresia: Als die Pandemie soweit vorbei war und wir wieder Gottesdienst im gewohnten Setup durchführen konnten, hat das Presbyterium sich natürlich gefragt, wie es mit den Online-Gottesdiensten weitergehen soll. Ganz bewusst hat es dann die Entscheidung getroffen, die Übertragungstechnik fest zu installieren und die Software so zu programmieren, dass mit relativ wenig Aufwand der Stream regelmäßig stattfinden kann. Wir haben stabil jede Woche um die 80 Zugriffe. Immer wieder gibt es Ideen, auch andere Formate auszuprobieren – online Gebetskreise oder Themenabende. In der Zeit des Lockdowns haben wir da bereits Manches ausprobiert. Gleichwohl haben viele inzwischen auch wieder den Wert der persönlichen Begegnung vor Ort schätzen gelernt. Beides im Blick zu behalten, ist notwendig und zugleich herausfordernd.

Wo sehen Sie die Vorteile beim hybriden Format?

Thomas Fresia: Wir sind mehrfach gebeten worden, kein Format zu entwickeln, dass dezidiert auf die Online-Übertragung zugeschnitten wurde. Unsere Zuschauer*innen schätzen gerade die ihnen aus dem Gottesdienst vertraute Liturgie, die sie nun nach Hause geschickt bekommen. Das geht bis hin zur Abendmahlsfeier, wenn sich manche daheim ihren kleinen Altar aufbauen und dann, wenn sich die Gemeinde zum Abendmahlskreis in der Kirche versammelt, sich mit Brot und Wein in die Mahlgemeinschaft eingebunden wissen.

Text: Frauke Komander
Foto(s): Christa Hastedt/Thomas Fresia

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