Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen – die Antoniter Siedlungsgesellschaft wird 70
Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen – die Antoniter Siedlungsgesellschaft wird 70
„Wichtiger als neue Glocken ist der soziale Wohnungsbau“, lautete der Appell auf der Gesamtsynode der Evangelischen Kirche in Deutschland im April 1950. Er richtete sich an alle Kirchengemeinden, die aufgefordert waren, Bauland aus dem Gemeindevermögen auf Erbpachtbasis an Bauwillige bereitzustellen. Dieser Aufruf bewegte auf Anregung von Pfarrer Dr. Erwin te Reh – Begründer der Diakonie Michaelshoven – evangelische Entscheidungsträger in Köln am 13. Februar 1951 zur Gründung der „Evangelischen Siedlungsgesellschaft mbH, Köln“ – heute Antoniter Siedlungsgesellschaft mbH im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region (ASG).
In diesem Jahr feiert die Gesellschaft ihren 70. Geburtstag. Über 1.700 Wohnungen – davon rund 700 Seniorenwohnungen – befinden sich heute in ihrem Bestand, hinzu kommen gut 1.000 Immobilien von Dritten (Kirchengemeinden und private Eigentümer), die die ASG verwaltet. Wir stehen „in der Tradition, Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen zur Verfügung zu stellen. Wir nehmen diese Aufgabe in enger Verbundenheit und Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche und Diakonie wahr“, hieß es im letzten Geschäftsbericht.
Zu 100 Prozent in kirchlicher Hand
Die ASG ist das einzige Wohnungsbauunternehmen in Deutschland, das zu 100 Prozent seiner Geschäftsanteile der Evangelischen Kirche – in diesem Fall dem Evangelischen Kirchenverband Köln und Region und seinen vier Kirchenkreisen – gehört. Entsprechend ist sie Ansprechpartner, wenn Kirchengemeinden oder andere kirchliche Institutionen bei der Erneuerung, Entwicklung oder Umsetzung ihres Immobilien- und Grundbesitzvermögens Unterstützung benötigen. Ihnen steht die ASG z.B. als Bauherrenvertreter, Projektsteuerer, Planer oder Investor zur Seite.
Mit der Übernahme der Grube & Räther GmbH als Tochterunternehmen im Jahr 2009 erweiterte die ASG ihre immobilienwirtschaftlichen Dienstleistungen um weitere Serviceleistungen wie Garten- und Baumpflege, Hausmeisterdienste, Handwerks- und Reinigungsservice. Somit ist die Belegschaft des Unternehmens auf inzwischen fast 80 Mitarbeitende angewachsen.
Auch wirtschaftlich kann die Wohnungsbaugesellschaft für die vergangenen 70 Jahren auf eine positive Entwicklung zurückblicken. Die Umsatzerlöse lagen laut Geschäftsbericht im Jahr 2019 bei über 13 Mio. Euro. Unter Berücksichtigung eines Eigenkapitals von rund 26 Mio. Euro ergab sich eine Rendite von 3,0 %. Neben 2,4 Mio. Euro, die die Gesellschaft in die Instandhaltung ihrer Wohnungen investierte, wurden fast 10 Mio. Euro für Sachanlagen aufgewendet.
Hans Encke war erster Aufsichtsratsvorsitzender
Ihre Wurzeln hatte die ASG im früheren Kirchenkreis Köln, mit dem sie sich anfangs die Räume in der Antonsgasse 10 teilte. Dort hatte auch der Gesamtverband der Evangelischen Kirchengemeinden im Kirchenkreis Köln seine Verwaltung. Jedoch schon im Sommer 1951 bezog die Gesellschaft eigene Räume im Mauritiuswall 68. Erster Aufsichtsratsvorsitzender und von 1953 bis 1955 Geschäftsführer war der spätere Stadtsuperintendent, Hans Encke, der sich als Pfarrer der Kreuzkapelle in Köln-Riehl durch seine Verdienste im Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime einen Namen gemacht hat. 2017 benannte die ASG, die seit 1964 im Haus der Evangelischen Kirche in der Kölner Südstadt ihre Geschäftsräume hat, ihren Sitzungssaal nach ihm. Erster theologischer Beirat war Pfarrer Dr. Erwin te Reh.
Der wachsenden Bevölkerungsanzahl im zerstörten Nachkriegsköln stand eine extreme Wohnungsknappheit gegenüber. Im März 1945 hatte Köln knapp 40.000 Einwohner; mit Rückkehr aus den Evakuierungen und durch den Zustrom von Flüchtlingen und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten stieg die Bevölkerungszahl rasch an, sodass in Köln im September 1950 bereits 595.000 Menschen lebten, für die 123.000 Wohnungen zur Verfügung standen. Gegenstand und Zweck des neu gegründeten Unternehmens war „der Bau und die Betreuung von Eigenheimen, Mietwohnungen und Kleinsiedlungen“. Das Gründungskapital wurde zu 75 Prozent vom damaligen Gesamtverband der Evangelischen Kirchengemeinden im Kirchenkreis Köln und zu 25 Prozent vom Kirchenkreis Köln aufgebracht. Das Startkapital der ASG betrug zur Zeit der Gründung 50.000 DM.
Dringende Nachfrage nach Wohnraum
Das erste Bauprojekt der neu gegründeten Gesellschaft waren neun Vierfamilienhäuser in der Mannheimer Straße in Köln-Ostheim. Weitere Bauvorhaben wurden in Bensberg und Königsforst realisiert. Das stetige Anwachsen der Bevölkerung Anfang der 50er Jahre machte die Nachfrage nach Wohnraum dringlicher denn je. Die zunächst errichteten kleineren Wohneinheiten reichten nicht mehr aus. Die Stadtplaner der Stadt Köln hofften, die hohe Wohnraumnachfrage durch immer größere Gebäude mit immer mehr Geschossen bewältigen zu können. Auch die ASG folgte diesen Vorgaben, zum Beispiel mit einer Großwohnanlage in Bocklemünd-Mengenich, die 244 Wohnungen in bis zu acht Etagen umfasst und sich noch heute in ihrem Bestand befindet. 1970 wurde hier die tausendste ASG-Wohnung fertiggestellt.
Auch Gemeindezentren gehören seit Gründung des Unternehmens zu den ASG-Bauprojekten. Mitte der 50er Jahre etwa begleitete die ASG bautechnisch die Errichtung des Evangelischen Gemeindezentrums in Lindlar mit Kirche und Mitarbeiterhaus. Im Jahr 2011/2012 stellte sie auf dem rund 3.500 m2großen Areal neben der Kirche zudem großzügig geschnittene barrierefreie Eigentums- und Mietwohnungen sowie eine ambulante Tagespflege und eine Demenz-Wohngemeinschaft fertig.
Enge Zusammenarbeit mit kirchlichen und diakonischen Partnern
Heute verfügt die Gesellschaft über insgesamt vier Demenz-WGs – weitere sind in Planung. „Wir sind unserem Anspruch, auch die Menschen mit Wohnraum zu versorgen, die auf dem freien Wohnungsmarkt nur geringe oder gar keine Chancen haben, all die Jahre treu geblieben. Das konnten wir in enger Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Köln und Region bisher sehr erfolgreich umsetzen“, sagt Guido Stephan, seit 1997 ASG-Geschäftsführer. Seit mehr als 10 Jahren wird die Zusammenarbeit mit dem Diakonischen Werk und der Diakonie Michaelshoven immer weiter ausgebaut. Unterschiedliche Wohngruppen mit Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen, Menschen mit Einschränkungen, alleinerziehenden Müttern und ihren Kindern, Frauen mit häuslicher Gewalterfahrung und ehemals obdachlosen Menschen, für die die ASG Wohnungen und Häuser zur Verfügung stellt, werden von den diakonischen Partnern betreut.
Vor allem Seniorinnen und Senioren will die Gesellschaft ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen. Zu ihrer Unterstützung richtete sie 2004 eine Seniorenberatung – heute Sozialmanagement – mit derzeit zwei Mitarbeitenden ein. Durch ein breites Spektrum an Beratungs- und Hilfsangeboten und zahlreiche Projekte und Freizeitangebote ermöglicht das Team des Sozialmanagements den älteren Mieterinnen und Mietern ein eigenständiges Leben und viele soziale Kontakte in der Nachbarschaft und mit Menschen im Quartier.
Mehrere kleine Aktionen anstatt großer Feierlichkeiten
Auf große Feierlichkeiten anlässlich des 70-jährigen Bestehens der ASG will man in diesem Jahr verzichten. Aufgrund der noch nicht überstandenen Corona-Pandemie sei dies schlecht planbar, so Stephan. Aber es sind dennoch mehrere kleine Aktionen und Projekte geplant. So wird das Gartenbauteam der Grube & Räther GmbH ab Herbst in den Wohnanlagen der Gesellschaft insgesamt 70 Bäume pflanzen, für die Mieterinnen und Mieter jeweils Patenschaften übernehmen können. Für Kinder soll es eine Aktion im Kölner Zoo geben. Und – wenn dies wieder möglich ist – will der Geschäftsführer Seniorinnen und Senioren in den Gemeinschaftsräumen der Seniorenhäuser zu einem festlichen Kaffeetrinken einladen. Richtig groß werde dann der 75. Geburtstag im Jahr 2026 gefeiert, verspricht er.
Text: Susanne Hermanns
Foto(s): ASG
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