YOGAundKREBS: Aus dem Gedankenkarussell aussteigen
Der Kurs „YOGAundKREBS“ der Melanchthon-Akademie geht speziell auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen ein, die von Krebs betroffen sind und berücksichtigt dabei ihre aktuelle Situation. Es spielt keine Rolle, ob die Frauen die Krebs-Diagnose gerade erst erfahren haben, noch in Behandlung sind oder nach Abschluss der Therapie wieder mehr zu Kräften kommen möchten. In einem geschützten Rahmen bieten die Yoga-Einheiten die Möglichkeit, Beschwerden zu lindern, Gelassenheit und Selbstvertrauen zu fördern sowie sich allgemein wieder wohler im eigenen Körper zu fühlen. Das sanfte Online-Yoga für Frauen mit Krebserfahrungen läuft mitt-wochs 16.30 bis 18 Uhr. Ein Gespräch mit der Yogalehrerin Susanne Tepe:
Was erwartet die Teilnehmerinnen der YOGAundKREBS-Stunde?
Susanne Tepe: Es erwartet sie eine Yogastunde, die an die Bedürfnisse der Teilnehmerinnen angepasst ist und einem speziellen Konzept folgt. Jede Stunde hat ein Überthema, welches ich am Anfang vorstelle. Sie beinhaltet Meditation, Konzentrations- und Wahrnehmungsübungen und Pranayama, also Atemübungen, es folgt ein Warm-Up-Vinayasa im Sitzen, bei der wir die Wirbelsäule in alle Richtungen bewegen. Die Asana-Praxis (Stellungen im Yoga) sieht etwas anders als in „normalen“ Stunden aus, wir vermeiden zum Beispiel die Bauchlage oder den herabschauenden Hund. Die Bauchlage kann aufgrund der Operationen im Brustbereich sehr unangenehm sein und armgestützte Umkehrhaltungen, wie der herabschauende Hund, sind oft viel zu anstrengend. Es gibt aber durchaus Standhaltungen, wie die Krieger-Positionen in vielen kreativen Variationen. Die Stunde endet immer mit ein oder zwei Yin-Haltungen, bei denen total losgelassen werden darf, die Endentspannung am Schluß einer Yogastunde wird oft von einer Geschichte oder einem Body-Scan begleitet. So oder so ähnlich sieht eine YOGAundKREBS Stunde aus. Die Themen variieren immer.
Welche Themen sind das beispielsweise?
Susanne Tepe: Zum Beispiel biete ich Yogastunden an, die die unterschiedlichen Nebenwirkungen der Therapien lindern können. Viele Frauen leiden unter starker Müdigkeit, dem Fatique Syndrom, ich biete dann eine spezielle Yogastunde an, um den Energiefluss wieder anzuheben oder bei geschwollenen Armen den Lymphabfluss zu fördern. In meiner YOGAundKREBS-Ausbildung habe ich gelernt, dass es wirklich für fast alle Nebenwirkungen lindernde Yogaübungen gibt. Es gibt auch aktuelle Themen, wie Herbstanfang und Loslassen, generell Jahreszeiten und Mondphasen wie Neumond oder Vollmond. Oder eine Yogastunde für den besseren Schlaf. Es gibt eigentlich unendlich viele Themen, oft geht es auch um Emotionen, viele Frauen tragen zu viel auf ihren Schultern, auch das kann Thema einer YOGAundKREBS Stunde sein.
Was ist das Besondere an YOGAundKREBS?
Susanne Tepe: Die Ganzheitlichkeit. Die Yogastunden wirken auf mehreren Ebenen, sowohl körperlich als auch emotional. Emotional steigen die Frauen aus dem Gedankenkarussell aus. Sie sind oft in ihrem Therapieplan gefangen, beschäftigten sich zum Teil nur noch damit und sind voller Angst. Die Patientinnen sind in dieser „Mühle“ sehr fremdbestimmt – was daher enorm wichtig ist, ist in die Selbstwirksamkeit zu kommen. Nicht behandelt zu werden, sondern zu handeln: „Ich kann aktiv etwas für mein Wohlbefinden und meine Gesundheit tun.“ Beim Yoga bekommen sie den Kopf frei, Ängste werden gelindert und Zuversicht gefördert. Die Situation besser anzunehmen wird gelehrt, die Akzeptanz der derzeitigen Situation. Der Krebs, diese Krise, kann zum Teil auch als eine Chance für eine Veränderung gesehen werden. Auch Selbstakzeptanz spielt dabei eine Rolle: sich selbst wieder mehr zu akzeptieren und zu lieben – manche Frauen hassen ihren Körper, der nicht mehr funktioniert, oder auch einzelne Körperteile. Sie können beim Yoga besser die eigenen Bedürfnisse erkennen und merken, was ihnen guttut. Sie lernen, etwas für sich tun. Wir gehen nicht über die Grenzen hinaus, aber manchmal verschieben sich Grenzen weiter nach oben. Die Frauen können beim Yoga ihren eigenen Körper besser wahrnehmen: „Wie geht es mir, was brauche ich?“ Was auch schön ist, es ist ein absolut geschützter Raum, in dem wir uns da befinden. Die Frauen sind unter Gleichgesinnten und werden mit ihren Sorgen und Problemen sofort verstanden. Am Anfang gibt es immer eine Viertelstunde Zeit für den persönlichen Austausch untereinander. Die Teilnehmerinnen können dabei ihr Herz ausschütten, wenn sie das Bedürfnis danach haben. Oft lachen wir aber auch miteinander und erzählen uns einfach, wie die Woche so war. Wir unterstützen uns auch gegenseitig. Eine Teilnehmerin konnte zum Beispiel schlecht einschlafen und eine andere hat ihr dann das eigene Mantra mit an die Hand gegeben: „Beim Einatmen schla – beim Ausatmen fen im Kopf vorsagen.“
Und auf der körperlichen Ebene?
Susanne Tepe: Die Übungen fördern auf jeden Fall die Beweglichkeit und stärken das Immunsystem, die Schlafqualität kann sich stark verbessern, Schmerzen können reduziert werden und durch die bewusste Atmung wird das Atemvolumen erweitert. Der Gleichgewichtssinn wird trainiert und die Teilnehmerinnen bauen nach und nach wieder mehr Kraft und vor allem Vertrauen in ihren Körper auf. Der Kreislauf wird angeregt, sie kommen wieder mehr in ihre eigene Energie. Egal, in welchem Stadium die Teilnehmerinnen sich befinden. Ob sie gerade die Diagnose erhalten haben, gerade operiert worden sind oder sich in ihrem Behandlungsplan befinden. Die Teilnehmerinnen können im Rahmen ihrer Möglichkeiten alle mitmachen. Die Yogastunden können, wie schon gesagt, die Nebenwirkungen der Therapien lindern. Es gibt zahlreiche Studien, die dies belegen.
Merken Sie dies den Teilnehmerinnen auch an?
Susanne Tepe: Ja! Die, die bei mir mitmachen freuen sich immer sehr auf ihren Yoga-Mittwoch. Der Termin ist ihnen sehr wichtig und nach der Stunde geht es ihnen wirklich immer besser als vorher. Sie fühlen sich einfach wohler. Das ist generell etwas, was ich mit meinem Yoga-Unterricht bewirken möchte: Das Wohlbefinden steigern – und das funktioniert wirklich einfach immer und wirkt auch nach.
Das heißt, die Teilnehmerinnen nehmen das mit in den Alltag?
Susanne Tepe: Ja, die Selbstwirksamkeit zieht sich durchaus weiter. Die Teilnehmerinnen können zum Beispiel Mudras (Handhaltungen) auch im Alltag anwenden, sie kennen Mantren (Affirmationen und Lieder), die ihnen helfen. Wenn man auf eine Therapie wartet, kann man z.B. ein Mantra im Kopf aufsagen sich die Hände im Schutzmantra auf den Herzraum legen und sich so selbst beruhigen. Das, was wir auf der Matte üben, wollen wir auch mit in unser Leben außerhalb der Matte nehmen. Geduld und mentale Stärke, um für die nächste Phase oder einfach für den oft stressigen Alltag gewappnet zu sein. In meinem Unterricht gibt es auch oft Tipps für Zuhause. Das beste Beispiel: Ich krabble gerne mal mit meinen Teilnehmerinnen – das, was Babys machen, bevor sie laufen. Dies vernetzt die Hirnhälften miteinander und stärkt den ganzen Körper. Im Alltag könnte das dann so aussehen: morgens aus dem Bett ins Badezimmer zu krabbeln. Vielleicht sogar mit dem Partner oder der Partnerin, so etwas kann auch sehr lustig sein und lachen ist ja bekanntlich eine sehr gute Medizin. Oder sich nicht aufs Sofa zu fläzen, sondern auf den Boden zu setzen und die Wirbelsäule bewusst aufzurichten. Was auch immer geht und absolut wirksam ist, wenn man aufgeregt ist: einfach länger aus- als einatmen. Dadurch verlangsamt sich der Herzschlag und der Parasympathikus, unser Ruhe-Nerv, wird angeregt. Einfach ausprobieren bei der nächsten stressigen Situation
Kann man jederzeit einsteigen?
Susanne Tepe: Ja, sehr gerne! Zur Zeit sind wir eine reine Frauengruppe. Die Männer scheinen noch nicht so weit zu sein, aber da tut sich sicher auch noch sehr viel in nächster Zeit. Der Kurs findet online statt. Das bietet den riesigen Vorteil, dass man gemütlich in seinem eigenen Zuhause bleiben und praktizieren kann und auch zum Beispiel vor der Erkältungszeit geschützt ist. Viele sind auch noch von OP oder Therapie geschwächt und froh, Zuhause die Matte ausrollen zu können. Obwohl jede für sich übt. sind wir trotzdem eine Gemeinschaft. Wir haben die Kamera an, von daher kann ich die Teilnehmer auch korrigieren oder Tipps geben. Man spürt die Energie der Verbundenheit, obwohl wir nur über den Computer miteinander verbunden sind. Das hätte ich mir nie vorstellen können, aber es funktioniert. Ein weiter Vorteil am Online-Yoga ist natürlich auch der, dass die Teilnehmerinnen nicht unbedingt aus Köln kommen müssen, in meinem Kurs sind aktuell Frauen aus Göttingen und Süddeutschland dabei. Das finde ich großartig.
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Text: Frauke Komander
Foto(s): Susanne Tepe/APK
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